Seit zwei Jahren können Bürger, die geheimes Wissen über Straftaten mit den Strafverfolgungsbehörden teilen wollen, ihre Hinweise anonym an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) schicken. Nun wird dieses elektronische System vom Probebetrieb in den Regelbetrieb überführt. Gegen Kritik, dass die Daten zu wenig abgesichert sind, verwehrt sich WKStA-Chefin Ilse-Maria Vrabl-Sanda: "Das System ist ausreichend verschlüsselt", sagte sie auf der Richterwoche in Kitzbühel: Mehreren Hackern sei es auch auf ausgeklügelte Weise nicht gelungen, das System zu knacken.

Oft monatelang in Kontakt

Das Whistleblower-System unterscheidet sich vom guten alten anonymen Brief nicht nur dadurch, dass es elektronisch ist. Der wichtigste Unterschied: Die Staatsanwaltschaft kann rückfragen. Viele Hinweisgeber beschreiben nämlich eindrücklich, was ihnen aufgefallen ist, doch wissen sie nicht, welche Details juristisch relevant sind. Oft lassen sie deshalb genau jene Indizien weg, die einen Anfangsverdacht im strafrechtlichen Sinn erst begründen würden. Kann die Behörde nicht nachfragen, muss sie den Fall ad acta legen – so war es bisher beim anonymen Briefverkehr. Das elektronische System ermöglicht es, oft über Monate hinweg mit dem Hinweisgeber zu korrespondieren, ohne zu wissen, wer er oder sie ist.

"Kein Verletzter auf der Straße"

Bei der Aufklärung von Korruptionsfällen sind Hinweisgebersysteme besonders wichtig. Es gibt in diesen Fällen nämlich keine Opfer. "Wir haben niemanden, der verletzt auf der Straße liegt, wir haben keine Eigentümer, denen in der Wohnung etwas fehlt", so Vrabl-Sanda. Die Folge: Niemand erstattet Anzeige, darum werden diese Straftaten auch nicht verfolgt. "Dass es keine Opfer gibt, heißt aber nicht, dass es keinen Schaden gibt", so die WKStA-Leiterin. "Es gibt einen enormen Schaden, und er trifft die Gesellschaft und den Wirtschaftsstandort als Ganzes."

Da an Korruption aber meist viele Menschen beteiligt sind, die alle voneinander abhängen, begeben sich Hinweisgeber meist in große Gefahr. Whistleblower-Systeme müssen daher höchsten Schutz der Anonymität garantieren.

Für Kritik sorgte in der Vergangenheit, dass private Bedienstete ihren Chefs ausgeliefert sind, falls sie kriminelle Vorgänge im Unternehmen anonym der Staatsanwaltschaft melden: Geraten Firmen ins Visier der Behörde, versuchen Verantwortliche mit allen Mitteln herauszufinden, wo im Betrieb sich das Leck befinden könnte. WKStA-Leiterin Vrabl-Sanda ist sich des Problems bewusst, dass Kündigungsschutz, der öffentlich Bediensteten offensteht, im privaten Bereich fehlt. Ihre Behörde hilft sich derzeit mit Warnhinweisen: Whistleblower mögen sich zwar an das elektronische System wenden, dann aber wichtige Dokumente, die Aufschluss über die Identität des Absenders geben könnten, postalisch versenden. (Maria Sterkl, 6.5.2015)