Die großen Pannen sind ausgeblieben, das politische Überleben von Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek ist damit vorerst gesichert. Ihr Schicksal war an jenes der Zentralmatura geknüpft worden, die derzeit Schüler in ganz Österreich zu absolvieren haben. Die Pannenserie im Vorfeld (vorwiegend technischer Natur) ließ das Schlimmste befürchten. So dick kam es nicht: Es gab einen Einbruch in einer Salzburger Schule, bei dem auch das Kuvert mit den Aufgaben geöffnet wurde, und es gab voreilige Medien, die die Aufgaben noch am Prüfungstag online stellten. Beides sind Fälle für Polizei und Staatsanwaltschaft, die Vorkommnisse liegen aber eindeutig nicht im Wirkungs- und Verantwortungsbereich der Ministerin. Die kann erst einmal durchatmen.

Die Ergebnisse der Zentralmatura werden Ende Mai vorliegen, dann wird man wissen, wie hoch die Quote derjenigen liegt, die bestanden haben. Über die Qualität der Matura und die Leistung der Geprüften wird diese Quote aber nur bedingt etwas aussagen.

Die Einführung von Mindeststandards normt die Schüler. Das bringt zwar eine Objektivierung und eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit sich, bedeutet aber auch, dass das gleiche Raster über alle Schüler drübergelegt wird. Auf Stärken, Neigungen und Interessen wird keine Rücksicht mehr genommen. Die Aufgaben dürfen nicht zu schwer und nicht zu leicht sein - für alle. Das bedeutet zwangsläufig eine Nivellierung nach unten, man orientiert sich an den Schwächsten.

Die Schüler sind nicht länger Individuen, sondern Positionen in einem Raster. Ein Lehrer wie John Keating im Club der toten Dichter muss in diesem System samt seinen Schülern scheitern. Mag sein, dass das eine allzu romantische Vorstellung von Unterricht, von Lernen und Erfahren, von Herausforderungen und dem Vermitteln von Wissen und einer Ahnung vom Leben ist, aber die nüchterne Wissensabfrage und das normative Kreuzerlmachen, wie das bei der Zentralmatura über Strecken zu bewerkstelligen ist, zeigt einen ganz tristen Abklatsch dessen, wofür Schule da sein könnte - und müsste.

Für die Schule lernen wir, nicht fürs Leben. Da passt gut ins Bild, was den Schülern bei der Matura nicht zugemutet werden darf: Sex, Kriminalität und Tod. Damit fallen 90 Prozent der Literatur flach und vieles, was das Leben bestimmt und die Menschen bewegt, ob man will oder nicht. (Michael Völker, 8.5.2015)