So selten hat bisher eine Regisseurin das Filmfestival von Cannes eröffnet, dass sich bei der Bekanntgabe prompt ein Fehler einschlich. Die Französin Emmanuelle Bercot ist nicht die erste Frau, wie es in der Aussendung zunächst hieß, sondern schon die zweite (nach Diane Kurys 1987), der am Mittwoch diese Aufgabe zufällt. Hauptdarstellerin ihres Films La tête haute ist die große Catherine Deneuve, die noch mit einem zweiten Film, Guillaume Nicloux' The Valley of Love (an der Seite von Gérard Depardieu), im offiziellen Programm vertreten ist.

Insgesamt treten bis 24. Mai 19 Filme im Rennen um die wohl begehrteste Festivaltrophäe, die Goldene Palme, an. Die Jurypräsidenten, das US-Regieduo Joel und Ethan Coen, erwartet ein gewohnt hochklassiges Line-up. Neben Cannes-Darlings wie Nanni Moretti, Gus Van Sant, Jia Zhang-ke oder Hou Hsiao-hsien auch Neuzugänge: der Grieche Giorgos Lanthimos etwa, der mit The Lobster seine erste internationale Produktion präsentiert, der Norweger Joachim Trier (Louder Than Bombs) oder die Französin Valérie Donzelli mit ihrem Inzestdrama Marguerite and Julien.

Dass mit dem Thailänder Apichatpong Weerasethakul (Cemetery of Splendour) ein Palmen-Gewinner auf die Sektion Un Certain Regard "zurückgestuft" wurde, sorgte bei der Programmpräsentation dennoch für Irritationen. Er ist nicht der Einzige: Arnaud Desplechin und Philippe Garrel, zwei wichtige Regisseure des französischen Kinos, laufen in der Parallelsektion Quinzaine des réalisateurs. Miguel Gomes' mit Spannung erwarteter, sechsstündiger Film Arabian Nights, der Portugals Wirtschaftskrise reflektiert, ist ebenso dort zu sehen wie Peter Tscherkasskys Experimentalfilm The Exquisite Corpus.

Als Besucher darf man sich nichtsdestotrotz freuen: Vielfalt ist garantiert, wenn man auch Nebenwege in Kauf nimmt. (Dominik Kamalzadeh, 12.5.2015)