Conchita Wurst bietet auf ihrem Debütalbum "Conchita" solide Popdiven-Kunst der alten Schule aus den 1990er-Jahren.


Foto: Markus Morianz
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Wien - Mit Musik lässt sich heute abseits von Live-Auftritten nicht mehr wirklich Gewinn erwirtschaften. Das geschieht längst über die Umwegrentabilität. Deshalb ist es auch nicht mehr so wichtig, dass ein Popstar Musik macht. Wichtig ist, die Marke präsent zu halten. Heutzutage wissen mehr Menschen auf der Welt, was Beyoncé und Rihanna bei der Met Gala in New York getragen haben, als den Titel ihrer letzten Hits.

Conchita Wurst, Österreichs einziger global relevanter Popstar, fand ein Jahr lang mit zwei Liedern ihr Auskommen, Rise Like A Phoenix und ein wenig auch noch Heroes (leider nicht von David Bowie). Sie bekam trotz ihres Siegs beim musikalisch grundsätzlich so wertvoll wie ein illegaler Download von Mariah Careys Gesamtwerk daherkommenden Song Contest trotzdem täglich hunderte Medienanfragen aus aller Welt.

Auch die heurigen österreichischen Song-Contest-Teilnehmer The Makemakes tragen Bart. Der Bart aber ist das Branding Conchita Wursts. Er generiert zusätzlich zum Aufruf zur Toleranz als Vorstufe des Respekts das Gold, das man zum Überleben braucht.

Neben ihren Brotjobs als Brückenbauleiterin des nächste Woche in Wien startenden Song Contest und als Lockmittel des Wiener Fremdenverkehrsamts sowie als Shopping-Queen für eine Bank hat Conchita Wurst in den letzten Monaten endlich auch Zeit gefunden, eine Bringschuld einzulösen. Am Freitag erscheint ihr erstes Album. Das Werk trägt zwar den schlichten Titel Conchita (toll wäre Wurst gewesen!). Im Hintergrund steht aber eine im Popdiven-Fach alter 1990er-Jahre-Schule handelsübliche Heerschar von Musikern, Produzenten, Textern, Beratern, Stylisten und Haarkreationisten, Managern sowie Dings. Für die zwölf auf Conchita enthaltenen Songs waren pro Lied bis zu fünf Komponisten und ebenso viele Texter zuständig. Mit so einem Kreis der allerengsten Freunde mag zwar einst vor 30 Jahren Whitney Houston Demo-Aufnahmen eingespielt haben. Für hiesige Verhältnisse sind das aber schon enorme Produktionskosten.

Musicals und Schneidbrenner

Das lässt grundsätzlich einmal eines befürchten. Wenn zu wenig Ideen da sind, können zu viele Einsager sicher nicht dazu beitragen, diese zu internationalen Hits hochzusexen (obwohl es da historisch gesehen sicher zwei- bis dreitausend Ausnahmen gibt). Hier scheint jemand bezüglich der für eine weitere Karriereplanung nötigen Visitenkarte eines Albums auf jeden Fall sehr nervös gewesen zu sein, was das Endergebnis betrifft.

Es kann Entwarnung gegeben werden. Wenn man die selbstverständlich auf Conchita ebenfalls enthaltenen und mittlerweile leicht abgespielten Lieder Rise Like A Phoenix und Heroes (leider nicht von David Bowie) mag, hat er das inhaltliche Spektrum der Conchita-Wurst-Kunst erfasst.

Es geht hier mit an Musicals und an Schneidbrennern geschulter Stimme um Durchhalteschlager, Survival im Midtempo-Bereich und seit Zarah Leanders Davon geht die Welt nicht unter gebräuchlichen Zweckoptimismus.

Das Lied Put That Fire Out ist duktusmäßig eine schöne Ergänzung zum Klassiker Little Drummer Boy (David Bowie!). Where Have All The Good Men Gone ist jener Elektro-Swing, der heutzutage gern gehört wird und nicht wehtut. Dazu setzt es Autotune-Effekte, Ohs, Ahs, La-La-La-La-Las. Bei Cher abgeschaute House-Musik zum Tanzen gibt es auch. Das ist Pop für ein Laufpublikum, also erwartbare Kost. Nothing to write home about. Gute Mucke. (Christian Schachinger, 13.5.2015)