Der Ausnahmekünstler Helge Schneider macht sich rar.


Foto: Polyfilm

Wien - Auf der Freiluftbühne eines städtischen Musikfestivals kommt es zu einer denkwürdigen Begegnung: Am Klavier sitzt Helge Schneider, am Mikrofon steht die afroamerikanische Vokalkünstlerin Butterscotch, die im Zusammenspiel zunächst den Ton an- und den Beat vorgibt. Schneider hört zu, wägt ab, bringt sich ein - und der Mann, den man zuvor schon als despotischen Bandleader erleben durfte, zeigt sich hier als konzentrierter Musiker, der sich auf eine spielerische Battle einlässt, deren Ausgang längst nicht so ausgemacht ist wie die Späße innerhalb des vertrauten Band-Zusammenhangs.

Das (tatsächlich allererste) musikalische Zusammentreffen von Beatboxerin und Pianist ist in Mülheim Texas: Helge Schneider hier und dort festgehalten. Der große Unterhaltungskünstler aus dem Ruhrgebiet, dem mit Katzeklo 1993 ein Überraschungshit passierte, steht im Zentrum von Andrea Roggons Dokumentarfilm. Dass mit und über ihn kein handelsübliches Porträt, keine chronologisch erzählte Lebensgeschichte entstehen konnte, das liegt sozusagen in der Natur des Protagonisten, der schon zu Beginn des Films in einer schönen Volte das Folgende klarmacht:

Aus dem Off setzt die Filmemacherin an, ein Gespräch zu eröffnen. Sie sagt "Freiheit ist ja nichts, was man automatisch hat - Freiheit muss man sich nehmen ..." Worauf Schneider mit einem forschen "Ja" antwortet, aufsteht und sich ohne weiteren Kommentar aus dem Interview-Setting verabschiedet. Was im ersten Moment ein wenig divenhaft erscheint, das wird sich am Ende stimmig in einen künstlerischen Selbstentwurf gefügt haben, für den Improvisation, verstanden als das angstfreie Reagieren auf eine unbekannte Situation, wesentlicher Bestandteil ist.

Selbstdarstellung vor Wüstenhintergrund

Auf diesen Aspekt seines musikalischen wie seines komödiantischen Schaffens wird Schneider einmal sogar explizit eingehen. Dazwischen werden ihm im Film kleine Selbstdarstellungsmöglichkeiten vor malerischem Wüstenhintergrund eingeräumt.

Die Kamera begleitet Schneider in Arbeitssituationen samt komischem Mehrwert (kippender Traktor!). Mühlheim Texas enthält Filmszenen, Momentaufnahmen aus dem Tourprogramm. Und in einer treffenden Spiegelung werden einmal Close-ups lachender Zuseherinnen und Zuseher aneinander montiert, die nicht nur die demografische Bandbreite des Schneider-Publikums offenbaren, sondern auch jenes komische Glücksgefühl übertragen, welches die Gezeigten offensichtlich gerade Tränen lachen lässt.

"Ich spiel' keine Rolle und deshalb spiel' ich auch gar keine Rolle." Schon wegen solcher großartiger Sinnsprüche ist der Besuch dieses Films unbedingt zu empfehlen. Als Begleitmaßnahme hat man in Wien, Linz, Wels und Graz auch gleich jene Kinofilme mit (und von) Helge Schneider ins Programm genommen, die in Mülheim Texas angespielt werden: Schauen Sie sich den Meister auch in Johnny Flash, Praxis Dr. Hasenbein oder als 00 Schneider an und verbringen Sie glückliche Stunden. (Isabella Reicher, 13.5.2015)