Ein Muss für Nivernais-Reisende: Auxerre und seine Gotikbauten.

Foto: Karin Tzschentke

Drei Tage mit dem Hausboot eine Strecke zurücklegen, für die man mit dem Auto knappe 45 Minuten benötigt? Was für ein Schneckentempo. Da könnte man genauso gut mit dem Rad fahren oder zu Fuß gehen. Stimmt. Aber dafür hat man seine kleine Ferienvilla stets dabei, kann wunderbar entspannen und genüsslich in eine touristisch wenig bekannte Gegend im Burgund vordringen.

Willkommen im Nivernais, einem etwa eineinhalb Autostunden südöstlich von Paris liegenden Landstrich Frankreichs. Hier schlängelt sich die in die Seine mündende Yonne durchs wilde Morvan. Auf ihr wurden ab dem Mittelalter Holz und Kalkstein nach Paris befördert. Um den Transport zu erleichtern, wurde 1795 mit dem Bau des 174 Kilometer langen Nivernais-Kanals begonnen, der großteils dem Flussverlauf folgt. Mit dem verstärkten Abbau von Steinkohle war es mit der Holzschifferei vorbei. Geblieben ist einer der für viele Hausbootkapitäne schönsten Wasserwege Frankreichs, auch oder gerade wegen seiner 110 Schleusen.

Entschleusigen Sie sich

Leinen los, heißt es in Joigny, dem Ausgangspunkt vieler Fahrten. Vorbei an sanften Hügeln und hübschen Dörfern. Staunen über Trauerweiden am Ufer, deren Äste so knapp vor der Wasseroberfläche enden, als hätte sie jemand abgeschnitten. Beobachten, wie Erpel-Junggesellen einander jagen. Die quakenden Wasservögel sind beliebt – kaum eine Speisekarte in der Gegend, in der sie nicht zu finden sind.

Doch das Essen will verdient sein – durch das Bezwingen von Schleusen. Geschwindigkeit drosseln, mutig aufs offene Schleusentor zuhalten. Die Gummileisten des Bootes rumsen an die Kaimauer, ein Crewmitglied springt von Bord und befestigt die ihm zugeworfenen Taue an den Pollern aus Stein oder Eisen. Gleich, wie oft man eine Schleuse durchfährt: Es ist stets ein erhabenes Gefühl, wie das Boot in die Höhe wächst und am anderen Schleusentor wieder in die Freiheit entlassen wird.

Nicht nur die Schleusen, bei denen teilweise noch händisch gekurbelt werden muss, sorgen für Abwechslung im sonst so beschaulichen Schifferleben. Das Nivernais ist reich an Sehenswürdigkeiten und kleinen Restaurants, bei denen man vereinzelt – wie etwa am Aux rives de L’Yonne in Laroche-St.-Cydroine – quasi vor der Tür anlegen kann.

Gotische Perlen

Die Wasserroute führt die Reisenden durch ein schon von den Römern besiedeltes Gebiet. Romanische und gothische Baukunst sind ständige Begleiter. Für jeden Nivernais-Reisenden ein Muss ist ein Halt in Auxerre, das nach einer idyllischen S-Kurve der Yonne am Horizont auftaucht – mit der Abtei Saint-Germain, in der sich die ältesten Fresken Frankreichs befinden, und der Kathedrale Saint Étienne, ein Hauptwerk der burgundischen Gotik.

Ein Bummel durch die 40.000 Einwohner große Stadt mit seinen 700 Fachwerkhäusern ist ebenso lohnenswert wie ein Essen im La p’tite Beursade, in dem man Les œufs en meurette, pochierte Eier in Rotweinsauce, kosten sollte. Naturgemäß kommen Freunde vergorener Trauben in diesem Teil Burgunds auf ihre Kosten. Etwa in den Caves de Bailly. In dem unterirdischen ehemaligen Steinbruch werden jährlich durchschnittlich 25.000 Hektoliter Crémant de Bourgogne erzeugt. Empfehlenswert ist auch ein Abstecher ins malerische Weindorf Irancy zu William Charriat, der aus raren César-Trauben einen lebhaften Rotwein keltert.

So langsam man auf Yonne und Nivernais-Kanal mit dem Hausboot dahinzuckelt, so schnell verfliegt die Zeit. Hektiker, Kostverächter und Figurbewusste bleiben besser zu Hause. (Karin Tzschentke, 16.5.2015)