Der V650 von Polar, auf den lange gewartet werden musste.

Foto: Hersteller

Den kleinen Triumph lasse ich mir nicht nehmen: Ich bin vor dem Regenmacher dran. Zumindest beinahe. Denn DC Rainmaker, der vermutlich kompetenteste und unbestechlichste Sport-Tech-Gear-Blogger von überhaupt, hat den V650 noch nicht beschrieben. Jedenfalls nicht so ausführlich, wie das bei ihm Standard ist. Obwohl er den - laut Hersteller - "High End Radcomputer" mehrfach erwähnt hat - und das schon im Vorjahr.

Allerdings hatte Rainmaker da zum Einen lediglich Betaversionen in der Hand - und/oder zum Anderen keine Zeit, das Gerät genau unter die Lupe zu nehmen. Nicht seine Schuld: Die finnischen Sportcomputerhersteller hatten den Launch für den Sommer 2014 (!) avisiert, dann gezögert, für das Design des mutmaßlichen Viel- bis Alleskönners aber schon Preise eingeheimst - und das Ding dennoch nicht und nicht auf den Markt gebracht.

Ein bisserl erinnert das an den versemmelten Launch von Polars Premium-Laufuhr, der V800: Die war ebenfalls wieder und wieder angekündigt worden - und als sie dann mit monate- wenn nicht jahrelanger Verspätung da war, war das Teil alles andere als "fertig". (Siehe "Eine Superuhr - wenn sie einmal fertig ist - Die Polar V800") Mittlerweile sind die Bugs an der Hard- wie Software behoben - und die V800 ist meine Standard-Lauf-, Rad- und Wasauchimmersportuhr. Auch die Webanbindung läuft klaglos - obwohl Details, etwa die Noch-Immer-Nichteinbindung von Social-Media-Anwendungen, 2015 schlicht grotesk ist.

Warten und warten

Beim V650 wollte Polar Bugs und Häme vermeiden. Und wartete zu. Und zu. Und zu. Darüber hinaus wies Polar-Österreich-Sprecherin Julia Fuchs mich dann, als das Gerät am Weg zu mir war, mehrfach darauf hin, dass es da "noch etliche Updates und Anpassungen geben wird: Was das Gerät jetzt kann, ist noch lange nicht alles."

Obwohl: Was der V650 derzeit kann, erfüllt ohnehin (fast) all meine Rad-Bedürfnisse.

Der Reihe nach: Das erste, was auffällt, ist die Größe. iPhone-formatig sticht das Ding deutlich ins Auge. Am Lenkervorbau vermutlich eine Spur weniger, als am Lenker. Aber am Vorbau sitzt bei mir die Halterung für die Kamera.

Das zweite "Aha!" ruft das LED-Lichterl vorne hervor. Nicht zum Straßen-Ausleuchten gedacht, ganz klar. Aber bei schlechten Lichtverhältnissen ist so ein integriertes, sich selbst aktivierendes Lamperl kein Schaden.

Foto: Thomas Rottenberg

Die Montage des V650 in die Halterung ist einfach - und ein bisserl von Garmin abgeschaut. Blöderweise passt der Polar-Computer genau um ein Eitzerl nicht in die Halterung des Mitbewerbers. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Foto: Thomas Rottenberg

Die Halterung selbst wird mit Gummibändern am Lenker befestigt. Kann immer wieder ab- und ummontiert werden. So stabil das Ding tatsächlich hält, sind Gummis gefühlt doch Gummis: Mit ziemlicher Sicherheit halten sie auch bei den wildesten Downhill-Geländefahrten mehr aus, als 95% der Fahrer - aber der Kopf sagt "Gummiband".

Das Gerät selbst spielt dann alle Stückerln: Das 2,8"-Farbdisplay ist bei allen Licht- und Sonnenverhältnissen gut und leicht ablesbar. Auch mit Sonnenbrille und durch Fingertappser und Energydrinks verschmiertem Schirm. Freilich: Die einzelnen Screens individuell invertierbar zu machen, wär fein - und technisch sicher keine Hexerei. ("Geben wir weiter", sagt Fuchs.)

Foto: Thomas Rottenberg

Das Gerät findet GPS- und andere Verbindungen (ausprobiert: Pulsgurt, Trittfrequenz- und Geschwindigkeitssensoren. Angeblich: Wattmesser) in Windeseile. Das Koppeln mit neuen Sensoren ist easy - allerdings werden Geräte von Drittanbietern (etwa dem unschlagbar kleinen Pulsmesser von Suunto), mit denen andere Polar-Computer klaglos zusammen arbeiten, nicht immer unterstützt. (Laut Polar sollte es gehen.)

Gemessen, berechnet und angezeigt wird alles, was das Radlerherz begehren könnte: Puls, Tempo, Zeit, Runden, Steigung, Höhe, Anstrengung, Leistung, Trainingsnutzen, Effizienz, diverse Umdrehungszahlen und und und. Dass die V800 das meiste davon auch kann? Ja eh - aber Displaygröße, Farbe und Darstellungsoptionen machen einen Unterschied. Vor allem, weil man sich da für vier Rad-Kategrorien jeweils vier Räder konfigurieren lassen - und man sich für jedes Rad die Anzeige-Kombiantionen und -Modi absolut individuell zusammenbasteln kann. Kann was.

Auch die "Routeguiding-Funktion" ist sicher ein Hit. Wobei sie halt zu jenen Features gehört, die noch in Finnland in der Pipeline schlummern - und auch jetzt schon Anlass für Kritik bietet: Ein fast drei Zoll großes Display bettelt förmlich darum, wie ein vollwertiges Navi auch Karten abzubilden. Polar wird Routenplanung am 650er aber lediglich per Pfeil-, Richtungs- und Entfernungsangaben ermöglichen. Mehr sei, bedauert Julia Fuchs, nicht geplant. Derzeit.

Foto: Thomas Rottenberg

Wieder heim finden

Bereits jetzt implementiert ist ein anderer Pfeil. Der, werben die Hersteller, bringt einen zurück nach Hause. Freilich nur theoretisch - oder beim Segeln. Denn der Pfeil gibt lediglich die Richtung zurück zum Ursprung an. Dass das auf der Straße nicht viel bringt und im Berg- oder Waldland sogar massiv irreführend sein kann, kann und will auch die Polar-Pressedame nicht in Abrede stellen.

Ebenfalls noch auf der To-do-List der Finnen steht die Konnektivität mit den Smartphone: V800 & Co schicken per Knopfdruck und Bluetooth Trainingsdaten ans Handy, woraufhin die App die Daten mit der Web-Plattform synchronisiert. Der V650 kann nur über die USB-Schnittstelle ausgelesen werden. Das sei, weiß man auch bei Polar, ein bisserl blöd - werde aber bald durch ein Upgrade bereinigt sein.

Wann genau ist allerdings noch ein bisserl offen.

Mein Fazit?

Ein feines Gerät - für Sportlerinnen und Sportler, die im Polar-Universum daheim sind, sich primär am Rad bewegen oder beim Radfahren gern 1.001 große & bunte Anzeigen sehen.

Die Größe des Gerätes ohne "echtes" Navi-Display ist für mich aber ein echter Schwachpunkt. Insbesondere, weil meine Uhr das, was ich persönlich an Informationen zu brauchen glaube, ohnehin schon sammelt und parat hält.

Foto: Hersteller

Preis: Ohne Pulssensor 220€, mit 270€. (Thomas Rottenberg, 17.5.2015)