Wien - Die Emotion war groß, Gery Keszler konnte kaum sprechen. Mit zitternder Stimme erzählte er am Samstagabend bei der Eröffnung des Life Ball, dass er seit seinem 20. Lebensjahr HIV-positiv sei. Er habe sich vor mehr als dreißig Jahren in Australien angesteckt. "Ich war einer der allerersten in Österreich. Kein Arzt hat gewusst, was ich habe." Kürzlich erst sei ein Freund an Aids verstorben. Das dürfte wohl auch der Grund sein, warum Ballorganisator Keszler, 51, gerade heuer mit dieser Info an die Öffentlichkeit ging: "Ich weiß nicht, warum ich hier stehe. So gesund. Ich habe so viele Freunde verloren."

derstandard.at/von usslar

Keszler habe nicht gedacht, dass er 2015 den Ball wieder einem verstorbenen Freund widmen müsse. "Den goldenen Life Ball widme ich dir, Horstl!", sagte er dann aber unter Tränen.

Mit seiner Rede wollte er "ein Signal setzen", führte Keszler später aus. Noch auf der Bühne drückte er seine Ängste aus, dass es "nur noch um die Party" gehe – und weniger um den ersten Hintergrund wie die Ausgrenzung von Betroffenen. Er kritisierte "dreiste" Wünsche von Gästen und zeigte sich äußerst enttäuscht darüber, dass bei der Charity-Versteigerung vor dem Ball nur "ein Bruchteil" vom Vorjahresergebnis erreicht werden konnte. 2014 seien bei der Auktion 700.000 Euro an Spendengeldern lukriert worden.

Frühlingsgefühle

Der Life Ball fand heuer bereits zum 23. Mal statt. Gold, Glitzer und Jugendstil-Zitate standen den Abend über im Vordergrund. Das Motto der diesjährigen Ausgabe des Charity-Events lautete Ver Sacrum ("Heiliger Frühling"). Am Wiener Rathausplatz wurde die Goldkuppel der Secession nachgebaut. Entlang des Red Carpet hatten sich wieder Tausende Schaulustige eingefunden, um Blicke auf die ausgefallensten Kostüme und die Stars des Abends zu erhaschen.

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Opulenter Kopfschmuck.
Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Die Teilnehmer am Style Contest hatten sich allerhand einfallen lassen: zu sehen waren zahlreiche Anspielungen auf die "Goldene Adele". Andere trugen goldene Pfauenfedern oder Secessionskuppeln am Kopf spazieren. Viel nackte Haut, enge Leggings oder durchsichtige Oberteile waren auch angesagt. Erspähen konnte man den einen oder anderen Vollbart.

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Jean-Paul Gaultier geht vor Conchita Wurst in die Knie.
Foto: APA/Punz

Apropos Vollbart: Sängerin Conchita Wurst war zentraler Bestandteil des Life-Ball-Abends, sie wechselte ihr Outfit samt Perücke mehrmals. Zunächst schritt sie den Red Carpet unter zahlreichen "Conchitaaaaaaaa"-Rufen in einem schwarzen Zweiteiler mit Goldfäden entlang. Danach performte sie auf der Bühne mit Lockenkopf und in weiß-goldenem Kleid ihren neuen Hit "We are unstoppable". Am Ende der Modeschau von Jean-Paul Gaultier gab sie in schwarz-weißer Robe ein weiteres Lied zum Besten.

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Viele bunte Adeles bei der Gaultier-Show.
Foto: EPA/Hans Punz

Auch Conchita war sichtlich gerührt. "Ich bin ein Kind des Life Ball", rief sie der jubelnden Menge zu und bedankte sich bei allen, die zum Rathausplatz gekommen waren.

Für die südafrikanische Schauspielerin Charlize Theron war es hingegen die erste Teilnahme am Charity Event. "Ich bin eine Life-Ball-Jungfrau", betonte sie. Theron setzt sich mi ihrer Organisation "Charlize Theron Africa Outreach Project" (CTAOP) für den Kampf gegen Aids ein. Einmal sagen zu können "Wir haben die Krankheit Aids gemeinsam beendet" sei ihr großes Ziel.

200 Dollar, um ein Leben zu retten

Ihr Lebensgefährte, der US-Schauspieler Sean Penn, ist ein Mitstreiter im Kampf gegen das Virus und Mitglied bei der Aidshilfeorganisation Clinton Health Access Initiative (CHAI). Bill Clinton konnte in diesem Jahr aufgrund des Wahlkampfs seiner Frau nicht am Life Ball dabei sein. Sean Penn übernahm für ihn und sagte: "15 Millionen Menschen mit HIV und Aids werden inzwischen behandelt. Aber wir können es uns einfach nicht leisten, nur eine Person nicht zu behandeln". 200 Dollar pro Jahr würden reichen, um ein Menschenleben zu retten.

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Kelly Osbourne wusste nichts vom Motto Gold - und kam in Schwarz.
Foto: EPA/HERBERT NEUBAUER

Weitere Stargäste des Abends waren Kelly Osbourne (sie kam als eine der wenigen nicht in Gold), Schauspielerin Brigitte Nielsen, Sängerin Mary J. Blige, Schauspielerin Carmen Electra, Burlesque-Tänzerin Dita von Teese und Sängerin Paula Abdul.

Prinz Harry von Wales sendete eine Videobotschaft aus Australien. Der mit 100.000 Euro dotierte Preis "Crystal of Hope" ging an die von ihm und Prinz Seeiso von Lesotho gegründete Organisation "Sentebale", die benachteiligte Kinder unterstützt.

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Die Ballbesucher haben sich hübsch gemacht.
Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Wiens Bürgermeister Michael Häupl hatte zuvor als Gastgeber die Begrüßung übernommen. Er bedankte sich bei Gery Keszler für sein seit Jahren anhaltendes Engagement und rief in Erinnerung, dass mit dem Fest ein politisches Statement verbunden sei, nämlich gegen Ausgrenzung und für Toleranz. Häupl forderte dementsprechend "auch ein bisschen Nachdenklichkeit" ein.

"Wien ist Hammer"

Die Ballbesucher nahmen sich das auch zu Herzen. Wobei viele Wien bereits als sehr tolerante Stadt wahrnehmen. So sagte ein Schweizer Lesben-Paar: "Wien ist Hammer. Man hat uns auf der Straße auch gesagt, dass wir ein schönes Paar sind. Und wir lieben diese Ampelmännchen."

Die Frage, ob Feste wie der Life Ball oder der Song Contest eine gewisse Toleranz nur vorgaukeln würde, verneinte ein Ballbesucher, der mit seinem Freund den roten Teppich entlangschritt: "Ein bisschen Schein muss sein, damit man die Leute mit den Botschaften erreichen kann."

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Gery Keszler wurde bejubelt.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Keszler ließ auf der Bühne kurz Zweifel aufkommen, wie sehr er noch dahinterstehe, den Life Ball jedes Jahr zu organisieren: "Es wird nicht jedes Jahr leichter, sondern immer schwieriger, weil alle immer mehr wollen", sagte er. Er habe die Sorge gehabt, dass es nur noch um die Party gehe. Als er aber gesehen habe, wie viele Menschen auch heuer wieder mit viel Einsatz bei der Sache waren, sei es ihm leicht gefallen, weiterhin Ja zum Life Ball zu sagen. (Maria von Usslar, Rosa Winkler-Hermaden, 17.5.2015)