Das Gebäude ähnelt einem Vulkan. Oder einem Ufo. Wie riesige Schildmützen schieben sich die Dächer über die Eingangstreppen, im Hausinneren geht der Blick durch eine kreisrunde Auslassung in den Himmel von Palm Springs. Um umgerechnet 25 Millionen Euro wurde das Haus des US-amerikanischen Schauspielers und Komikers Bob Hope vor kurzem verkauft, ursprünglich war der Kaufpreis auf das Doppelte veranschlagt gewesen.

In den Bergen über dem kalifornischen Coachella-Tal regieren die Extreme. Der Himmel ist dunkelblau, die Luft glasklar, und das Label, das

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Bauchfrei und mit Kettenmuster: Die Grundsilhouette der neuen Cruise-Kollektion von Louis Vuitton gibt sich ernst und verspielt zugleich.
Foto: AP/Rich Fury

hier seine neueste Modekollektion zeigt, macht alljährlich mehr Gewinn als andere Größen der Branche Gesamtumsatz haben. Louis Vuitton ist die Cashcow des größten Luxuskonglomerats der Welt, von LVMH, und man setzt an diesem Tag Anfang Mai alles daran, dass das auch niemand vergisst.

Zum zweiten Mal in seiner Geschichte zeigt das französische Luxuslabel seine Cruise-Kollektion im Rahmen eines riesigen Events. Im vergangenen Jahr hatte man auf dem Platz vor dem Prinzenpalais in Monaco die Zelte aufgeschlagen, und schon damals staunten die Besucher über die Megalomanie, die aufgefahren wurde. Inmitten der kalifornischen Wüste, im sonnenverwöhnten Palm Springs, ist jetzt alles noch ein bisschen größer.

"Wir wollen einen magischen Moment zelebrieren", sagt der Chef von Louis Vuitton, der Brite Michael Burke. Eine Vielzahl an Stammkunden, Promis von Catherine Deneuve bis Charlotte Gainsbourg und Hundertschaften an Journalisten wurden zu diesem Zweck eingeflogen, viele von ihnen zehntausend Kilometer weit. Selbst das Geschirr und die Servietten beim Aftershow-Dinner wurden aus Paris herangekarrt. Kolportierte 16 Millionen Euro soll der Event gekostet haben. "Es geht nicht ums Geld, es geht ums Erlebnis." Noch so ein Satz von Michael Burke, der an diesem Tag öfters fällt.

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Natürlich dürfen auch ein paar Taschen nicht fehlen.
Foto: reuters/anzuoni

Strandkleider für die Upperclass

Die Cruise-Kollektion war früher einmal eine kleine Kollektion von Strandkleidern für reiche Damen in der Upper East Side oder in London Mayfair. Eine Übersetzung der bereits in der Winterkollektion durchbuchstabierten Ideen, aber in einer gefälligeren, kommerzielleren Weise. Zog es die betuchte Klientel im Winter in die Wärme, dann wollten sie sich nicht in die vergangene Sommerkollektion kleiden. Mittlerweile erbringen die Zwischenkollektionen (zu denen die Cruise- neben der Pre-Fall-Kollektion gehört) 70 Prozent des jährlichen Ready-to-wear-Umsatzes und haben mit den einstigen überschaubaren Gute-Wetter-Kollektionen kaum mehr etwas zu tun. Aus einer Neben- ist eine Hauptsache geworden. Doch erst seit ein, zwei Jahren lassen das die Firmen die Kunden auch wissen.

Noch immer wird die Mode von den Schauen in Paris, Mailand, New York dominiert. Im Stundentakt zeigt im September/Oktober (Frühjahrskollektionen) und im Februar/März (Winterkollektionen) eine Marke nach der anderen ihre Entwürfe für die kommende Saison. Der Kalender ist überfüllt, die Konkurrenz groß. Und so lange man warten muss, bis die Kleider in den Geschäften hängen, so schnell sind sie wieder verschwunden. Die Cruise-Kollektion gibt es dagegen fast vier Monate lang, von November bis Februar – so lange wie sonst keine andere Kollektion. Bisher hat sie aber in den Monaten zuvor fast niemand zu Gesicht bekommen. Das ändert sich derzeit, und es sind die großen Player der Branche, die dabei den Ton angeben.

Neben Louis Vuitton sind es zwei andere französische Modehäuser, Chanel und Dior, die das Potenzial erkannt haben. In Italien wartet man derweil noch ab: Gucci hat zwar für Anfang Juni in New York eine große Cruise-Show angekündigt, der Event dürfte aber in erster Linie für den amerikanischen Markt gedacht sein. Zwischen Louis Vuitton, Chanel und Dior ist dagegen ein Kampf um die spektakulärste Show ausgebrochen, um den passenden Ort und den passenden Tag.

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Dior-Show in Cannes im Seifenblasenhaus.
Foto: apa/epa/nogier

In dieser Saison nahm das Ganze skurrile Ausmaße an: Den Anfang wollte Louis Vuitton in Seoul machen, als man aber davon Wind bekam, dass auch Konkurrent Chanel in derselben Stadt und beinahe zum selben Zeitpunkt seine Show angesetzt hatte, wich man (nach einer Schrecksekunde) nach Palm Springs aus. Blöderweise hatte aber Dior seine Modeschau drei Tage später in L. A. geplant, woraufhin das ebenfalls zu LVMH gehörende Modehaus an die Côte d'Azur umzog.

Nicht wenige Journalisten flogen innerhalb einer Woche einmal rund um die Welt, erst nach Südkorea, wo Karl Lagerfeld in Zaha Hadids futuristischem Dongdaemun Design Plaza seine Kollektion präsentierte, dann nach Kalifornien, wo zwei Tage später Vuitton-Designer Nicolas Ghesquière in John Lautners Ufo-Architektur seine Mode zeigte und schließlich nach Südfrankreich, wo Dior-Designer Raf Simons das berühmte Seifenblasenhaus von Antti Lovag angemietet hatte. Mode schauen im Zeichen des Jetlags. Und im Zeichen eines immer aufwendiger produzierten Luxus.

Während sich Lagerfeld an lokalen koreanischen Traditionen abarbeitete und Raf Simons für Dior eine federleichte, mit den Farben der Côte d'Azur verschmelzende Sommerkollektion ablieferte, entwickelte Ghesquière seine, seit seinem Antritt bei Vuitton vor zwei Jahren entwickelte Formensprache ein gehöriges Stück weiter. Louis Vuitton stand in der Vergangenheit für Lederwaren, sie machten sowohl die Identität als auch den wichtigsten Teil des Umsatzes aus. Mode gibt es bei dem französischen Unternehmen erst seit Ende der 1990er-Jahre, doch den Stil des Hauses kann bis heute kaum jemand beschreiben.

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Weitere Modelle aus der Louis Vuitton Cruise-Kollektion.
Foto: AP/Rich Fury, Reuters/Mario Anzuoni

Unter Designer Marc Jacobs schoss man jede Saison ein neues Designfeuerwerk ab. "Es gab Zeiten, in denen sich die Kunden etwas verloren gefühlt haben, in denen sie jede Saison etwas anderes geliefert bekommen haben", erklärte Vuitton-CEO Burke am Rande des Events in Palm Springs. Erst seit der vormalige Balenciaga-Designer Ghesquière das Designruder übernahm, erahnt man, was Mode von Louis Vuitton ausmachen könnte.

Die Wiederauferstehung von Zeiten, in denen Reisen mit Luxus gleichgesetzt wurde, ein 70er-Jahre-Spirit, der sehr zeitgenössisch daherkommt, der Einsatz hochwertigster Materialien. Kaum ein Outfit in der Palm-Springs-Kollektion, in dem Ghesquière auf den Einsatz von Leder verzichtet. Er setzt das Material so vielseitig wie einen Baumwollstoff ein, verleiht ihm Weichheit und Leichtigkeit. Die Grundsilhouette ist ein knöchellanges Kleid, der Nabel von einem x-förmigen Gürtel eingefasst. Dazu kurze Bomberjacken oder knappeste Hotpants. Die Kollektion kommt weitaus weniger streng daher als Ghesquières Entwürfe in der Vergangenheit.

Besonders gut ist das an einem der Keylooks zu sehen: ein ärmelloses rotes Lederkleid, die Träger in Rüschenform, um die Hüfte leicht gerafft, an den Schenkeln ist das Blumenmotiv aus dem LV-Monogramm ausgestanzt. Das Vuitton-Logo, das auf den Taschen der Marke omnipräsent ist, kommt in der Kollektion ansonsten in kaum wiedererkennbarer Form vor. Es geht um den Stil und nicht um das Logo. Oder um Michael Burke zu zitieren: "Es geht darum, an vergangenen Luxus anzuknüpfen." Und sich damit vom Massenluxus, der auch in diesem Segment um sich gegriffen hat und der nicht zuletzt von Louis Vuitton voangetrieben wurde, zu unterscheiden.

Dubai, Brooklyn, Monaco

Das scheint erstaunlich gut zu klappen: "Die Cruise-Kollektionen verkaufen sich", konstatierte die New York Times bereits im vergangenen Jahr. Damals präsentierte Chanel in Dubai (man schüttete eine eigene Insel auf, 1000 Gäste), Dior in Brooklyn (man charterte mehrere Fähren, 900 Gäste) und Louis Vuitton in Monaco. Der Aufstieg der Cruise-Kollektion hat allerdings noch mit einem anderen Faktor zu tun, und zwar mit einer Verschiebung der Märkte. "Viele unserer Kundinnen leben heute in warmen Gegenden, in Miami, Dallas, Abu Dhabi, Schanghai", so Burke. Sie haben auch im (mitteleuropäischen) Winter Bedarf nach Sommerkleidern. Genauso wie Kunden in New York oder Tokio verlangen sie nach immer mehr Kollektionen in immer kürzeren Zeitabständen. "Nicht nur bei der Frühjahrs- und Herbstkollektion ist es wichtig, dass man etwas zu sagen hat, auch bei der Cruise-Kollektion", so Burke. Genauso wichtig ist es allerdings, dass man auch gehörig auf die Pauke haut.

Eine Modeschau wie jene in Palm Springs kann nur dann funktionieren, wenn die Kleider dem Aufwand, der betrieben wird, auch gerecht werden. Oder anders gesprochen: Wenn Designer wie Nicolas Ghesquière keine Fingerübung, sondern eine ganz eigenständige Kollektion abliefern. Der Event in der kalifornischen Wüste hat gezeigt, wie sowohl das eine als auch das andere geht. (Stephan Hilpold, Rondo, 27.5.2015)