Wien – EU-Abgeordnete werden sich künftig im Nationalrat zu Wort melden dürfen. Die Basis dafür wurde heute im Nationalrat mit einer entsprechenden Debatte gelegt. Der Beschluss erfolgt aus Geschäftsordnungsgründen erst morgen. Am Mittwoch wird im Nationalrat auch der Finanzrahmen beschlossen. Zuvor wurde Innenministerin Mikl-Leitner (ÖVP) von den Grünen zur Geheimdienstaffäre befragt.

Livestream aus dem Nationalrat.

Das Rederecht ist freilich ein eingeschränktes. Pro Klub darf nur ein Europa-Mandatar ans Rednerpult, dem zudem bloß fünf Minuten Rederecht eingeräumt werden. Ferner sind die Auftritte auf Europadebatten, etwa "Aktuelle Europastunden" oder EU-Erklärungen der Regierung beschränkt.

FPÖ lehnt Rederecht ab

Da es sich hier um eine "Systemwidrigkeit" handle, lehnt die FPÖ aus "rechtsprinzipiellen Gründen" die entsprechende Änderung der Geschäftsordnung ab. Im Nationalrat sollten dessen Mitglieder, die Hilfsorgane wie der Präsident des Rechnungshofs sowie die Regierung zu Wort kommen. Denn im Europaparlament könnten die nationalen Mandatare auch nicht sprechen. Insofern sei das, was hier stattfinde, ein Unterwerfungsakt des österreichischen Parlaments gegenüber der EU, so der Abgeordnete Gernot Darmann.

Team Stronach-Klubobfrau Waltraud Dietrich sieht einen populistisch wenig durchdachten Vorstoß. Schon alleine wo die EU-Abgeordnete sitzen sollen, besorgt sie.

Grüne und Neos dafür

Als pro-europäische Maßnahme würdigten dagegen Koalition, Grüne und Neos das neu vergebene Rederecht. Für SPÖ-Klubchef Andreas Schieder ist die Einbeziehung der EU-Mandatare der richtige Schritt eines aktiven Parlament. Für VP-Klubobmann Reinhold Lopatka ist es gerechtfertigt hier Neuland zu betreten. Denn Österreich sehe seine Zukunft in einer starken Union.

Weniger umstritten als das Rederecht war die neu geschaffene Möglichkeit für die Nationalratspräsidenten, bedeutende internationale Gäste zur Abgabe von Erklärungen einladen zu können. Selbst den Freiheitlichen gefällt der Gedanke, dass etwa die deutsche Kanzlerin Angela Merkel oder der russische Präsident Wladimir Putin vor dem Plenum sprechen könnten.

Neos mit Europastunde zu Insolvenzrecht

Vorerst bäckt der Nationalrat freilich noch kleinere Brötchen. Auf Antrag der Neos wurde in der "Aktuellen Europastunde" über die Sinnhaftigkeit eines Insolvenzrechts für EU-Staaten debattiert. Vehement dafür traten die Antragssteller ein, Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) sagt zwar nicht Nein, erwartet aber langwierige Diskussionen dazu, und die SPÖ hält davon eigentlich nichts.

Mikl-Leitner verteidigt sich in Geheimdienstaffäre

Zuvor hatten die Grünen eine "Aktuelle Stunde" zur Geheimdienstaffäre verlangt. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat dabei ihr Vorgehen verteidigt. Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren, man sei in engem Kontakt mit den deutschen Ermittlern, sagte sie in der Aktuellen Stunde des Nationalrats, die den Grünen gehörte. Auch FPÖ und Neos zeigten sich nicht beruhigt, das Team Stronach hielt sich mit Angriffen zurück.

"NSA und BND gegen Österreich – wie können wir uns schützen?", lautete der Titel der Aktuellen Stunde, die sich der Spionageaffäre widmete. Dem deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) wird vorgeworfen, in Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) auch Österreich – unter anderem Leitungen der Telekom Austria – ausgespäht zu haben. Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz wollte wissen: "Was wusste das Innenministerium? Was wusste unser Verfassungsschutz, und was ist auf Basis dieses Wissens getan worden?"

Finanzrahmen wird beschlossen

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat vor der Abstimmung zum Finanzrahmen seine Maßnahmen abermals verteidigt. So gab er zwar zu, dass Österreich ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem habe. Der Finanzrahmen sei aber seriös berechnet, und halte jeder Kritik stand. Die Opposition zerpflückte erwartungsgemäß die Finanzpolitik, vor allem Reformen fehlten.

Elmar Podgorschek von der FPÖ hatte zuvor den Kritiker-Reigen eröffnet und zielte sogleich auf die Steuerreform. Es erfolge eine Umverteilung von einer Tasche in die andere, letztendlich bezahle der Steuerzahler selbst die Reform. Auch die Lockerung des Bankgeheimnisses hatte Podgorschek im Visier. "George Orwells Visionen sind längst eingetroffen", so Podgorschek. Auch Entschließungsanträge zur Rettung der Militärmusik und gegen Kasernenschließungen brachte die FPÖ ein.

Grüne zerpflücken Finanzrahmen

Auch Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig zerpflückte den Finanzrahmen - allerdings mit anderer Stoßrichtung. Sie kritisierte die ihrer Meinung nach zu geringen Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit sowie für die Flüchtlingshilfe. Sie appellierte an die Abgeordneten der Regierungsparteien, den Finanzrahmen noch einmal aufzumachen, um die Mittel aufzustocken. Glawischnig kritisierte aber auch die angeblich fehlende Gegenfinanzierung der Steuerreform.

"Der Finanzrahmen zeigt ganz klar, Österreich hat überhaupt keinen Spielraum mehr", meinte auch Kathrin Nachbaur vom Team Stronach. "Egal wie man das beschönigt, es wird wieder mehr Geld ausgegeben als eingenommen." Reformthemen blieben allesamt ungelöst, das Loch im Pensionssystem werde immer größer. Zudem warnte Nachbaur die SPÖ-geführte Regierung: "Schulden bringen uns in Abhängigkeit der Finanzmärkte."

"Pessimistische Stimmung"

Der NEOS-Abgeordnete Josef Schellhorn ergriff wiederum das Wort für die Unternehmer. Das Steuerpaket habe pessimistische Stimmung verbreitet, Geld werde verschleudert. Kritik übte er auch an dem Vorschlag zu einer sechsten Urlaubswoche, welche die heimische Wirtschaft sicher nicht wettbewerbsfähiger mache. "Sie führen ein Vogelhäusl, aber kein Unternehmen", warf Schellhorn dem Finanzminister vor.

Schelling selbst verteidigte seine politischen Maßnahmen. "Auch mir wäre es lieber, wenn die Konjunktur besser wäre", betonte der Minister, dennoch handle es sich um einen ausgewogenen Finanzrahmen. Es sei gelungen, Kosten zu dämpfen und - "wo es möglich ist" - gleichzeitig offensive Maßnahmen zu setzen.

Nasenring

Kritik des Budgetdienstes sowie der Europäischen Kommission stellte sich Schelling selbstsicher entgegen. "Wir haben das seriös gerechnet", meinte er, was man auch nachweisen werde. Nachsatz: "Die Kommission hat auch nicht immer recht." Gar nicht auf sich sitzen lassen wollte Schelling den Vorwurf Schellhorns, ÖVP und SPÖ ließen sich am Nasenring von den Landeshauptleuten durch die Reihen führen. Dies sei genau umgekehrt, so der Minister.

Unterstützung hatte Schelling bereits zuvor von seinem Koalitionspartner bekommen. SPÖ-Budgetsprecher Kai Jan Krainer hatte bekräftigt, in Zukunftsbereiche zu investieren. Daher unterstütze man "diese erfolgreiche Politik" nach wie vor.

Die "Aktuelle Europastunde" setzt sich auf Wunsch der Neos mit einem Konkursrecht für EU-Mitgliedstaaten auseinander. Noch nicht mitdiskutieren können da die EU-Parlamentarier, was ihnen künftig nicht mehr passieren wird. Denn am Mittwoch wird im Nationalrat ein Gesetzesentwurf aufbereitet, der ihnen bei Europadebatten künftig ein Rederecht einräumt. (APA, 20.5.2015)