Es mag auf den ersten Blick absurd klingen, aber: Man muss Thailand, Malaysia und Indonesien geradezu dankbar sein, dass sie ihre Seegrenzen geschlossen und Flüchtlinge wieder aufs offene Meer zurückgeschickt haben. Bis zu 8.000 Menschen trieben dadurch auf kaum seetüchtigen Booten im Golf von Bengalen, eine humanitäre Katastrophe stand kurz bevor. Angesichts dieser Gefahr schien das globale Rampenlicht ausnahmsweise auch einmal verstärkt in diese Region und lenkte den Blick auf ein Land, das in den vergangenen Jahren so oft für seine Reformen gelobt wurde: Burma (Myanmar).

Es nahm seinen Anfang im November 2010, als die burmesische Militärjunta die ersten Wahlen seit 20 Jahren durchführen ließ und kurz darauf Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi aus ihrem jahrelangen Hausarrest entlassen wurde. Es folgten weitere zahlreiche Reformschritte – politische Gefangene wurden entlassen, die Zensur der Presse- und Meinungsfreiheit gelockert –, die mit der Aufhebung einiger Sanktionen seitens USA und der EU belohnt wurden. Zudem war Staatspräsident Thein Sein fortan ein gern gesehener Gast im Ausland. Sein Land besitzt große Erdgasvorräte, Edelsteine, Kupfer und andere Rohstoffe – an diesem Kuchen will jeder mitnaschen.

Trotz aller Bemühungen, dem Land einen demokratischen Anstrich zu geben, blieb ein Thema strikt tabu: die Rohingya. Die muslimische Minderheit, die vorwiegend in Rakhine im Westen des hauptsächlich buddhistischen Burma beheimatet ist, wird seit Jahrzehnten diskriminiert und verfolgt. Die Uno bezeichnet sie als "am meisten verfolgte Minderheit der Welt". Die Regierung verweigert ihnen die Staatsbürgerschaft, sie gelten als staatenlos ohne jegliche Rechte. Das Regime beharrt auf der Version, dass die Rohingya – etwa 1,3 Millionen leben in Burma – illegale Einwanderer aus Bangladesch sind. Historikern zufolge leben sie aber bereits seit Jahrhunderten in diesem Gebiet.

Die Reformen der letzten Jahre haben sogar zu einer Verschärfung der Verfolgung geführt. Radikale buddhistische Gruppierungen können nun ungestraft gegen die Rohingya hetzen, es kommt zu regelmäßigen Angriffen auf die Minderheit und auch auf Mitarbeiter der wenigen internationalen NGOs, die so mutig sind, noch in Rakhine tätig zu sein. Geschätzte 140.000 Rohingya wurden aus ihren Häusern vertrieben und leben derzeit eingepfercht in Lagern. Und als wäre das alles nicht genug, ist derzeit ein Gesetzespaket "zum Schutz der Rasse und Religion" in Bearbeitung. Es soll die Hochzeit zwischen buddhistischen und nichtbuddhistischen Personen sowie Konversionen erschweren. Zudem soll es Frauen vorschreiben, in den ersten drei Jahren nach einer Entbindung kein weiteres Kind zu bekommen. Menschenrechtsaktivisten sehen diese Maßnahmen vor allem gegen die Rohingya gerichtet.

Auch von oppositioneller Seite ist keine Hilfe zu erwarten. Aung San Suu Kyi vermeidet das Thema Rohingya konsequent. Sie weiß, dass der Hass auf die Muslime in Burma weit verbreitet ist. Sich für sie einzusetzen kann viele Stimmen kosten – Ende des Jahres wird ein neues Parlament gewählt.

Dass sich die Rohingya angesichts dieser Umstände in Scharen in die Hände von Schleppern begeben – allein in den vergangenen zwei Jahren flüchteten rund 100.000 von ihnen –, verwundert nicht. Und hätten Thailand, Malaysia und Indonesien nicht ihre Grenzen geschlossen, hätte sich dieser Flüchtlingsstrom so wie in den vergangenen Jahren weitgehend unbemerkt fortgesetzt.

Nun aber, durch das freilich völkerrechtswidrige Verhalten dieser Länder, hat sich der internationale Druck auf Burma erhöht. Die Uno erklärte, dass die Flüchtlingskrise kein Ende nähme, solange die Diskriminierung der Rohingya fortgesetzt wird. Und am Wochenende sagte US-Präsident Barack Obama, dass die noch bestehenden Sanktionen gegen Burma aufrecht bleiben und es weitere geben könnte, sollte das Land weiter Minderheiten unterdrücken.

Das hatte Folgen, am Mittwoch gab es ein erstes Einlenken der burmesischen Regierung: Man sei zu humanitärer Hilfe für jeden bereit, der auf hoher See leidet. Den Begriff "Rohingya" nimmt die Regierung zwar einmal mehr nicht in den Mund, doch es ist zumindest ein Anfang. Nun ist zu hoffen, dass der internationale Druck aufrecht bleibt, auch wenn Indonesien und Malaysia sich jetzt doch entschlossen haben, weitere 7.000 Flüchtlinge für ein Jahr aufzunehmen. Sonst wird es in zwölf Monaten die nächste Flüchtlingskrise im Golf von Bengalen geben. (Kim Son Hoang, 20.5.2015)