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1,54 Milliarden Euro muss Griechenland im Juni an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen. Ob das gelingen kann, ist fraglich.

Foto: apa/epa/Simela Pantzaratzi

Wien – Die Warnung vor der Pleite Griechenlands ist zur fixen Begleitmusik der Verhandlungen zwischen Athen und seinen Geldgebern geworden. Bei jeder anstehenden Zahlung wird inzwischen darüber spekuliert, ob die Griechen noch genug Geld zusammenkratzen können. Zuletzt haben deutsche Medien die Pleite für den 12. Mai vorhergesagt. Davor hätte es am 6. Mai und am 9. April so weit sein sollen.

Dabei kam die von Syriza geführte Regierung bisher all ihren Verpflichtungen nach. Warum also die Schreckensmeldungen?

Griechenland verhandelt derzeit mit der früheren Troika (EU-Kommission, IWF und Europäische Zentralbank) über neue Darlehen. Frisches Geld soll nur fließen, wenn Athen mit Reformen und Kürzungen weitermacht.

Die bisher letzte Kredittranche aus dem Ausland erhielt Athen im August 2014. Ob dem Staat deshalb wirklich bald das Geld ausgeht oder die Pleitegerüchte gestreut werden, ist von außen kaum zu beurteilen. Richtig ist, dass Syriza-Vertreter bereits selbst sagen, dass es für sie zusehends schwerer wird, Geld aufzustellen.

Pleiteszenarien streuen

Zugleich hat der griechische Vizeaußenminister und Troika-Chefverhandler Euclid Tsakalotos kürzlich beschrieben, dass es Teil der Strategie von Athens Geldgebern ist, Pleiteszenarien zu streuen. Industrieländer wie Griechenland müssen fast wöchentlich hunderte Millionen Euro Schulden zurückzahlen. Die Troika habe in der Vergangenheit öfter behauptet, Athen entgleite das Cash-Management. Damit wollten sie versuchen, die Gespräche zu beschleunigen, um mehr Konzessionen zu bekommen, so Tsakalotos.

Interessant ist aber auch die Frage, was geschieht, wenn Griechenland einmal wirklich eine Zahlung auslässt. Fürchten sich alle zu Recht? Auch hier gibt es keine einfache und klare Antwort.

Zur Ausgangslage: Griechenland muss bis Ende Juli zwei Schuldner ausbezahlen. Da sind einmal die griechischen Banken, die viele kurzfristige Darlehen an Athen vergeben haben. Die Rückzahlung hier läuft simpel ab: Im Gegenzug für alte Darlehen bekommt der Staat neue. Dieser Kreislauf ist aus Sicht des Staates und der Banken wichtig – hier sollte also nicht viel schiefgehen.

Spannender wird die Frage, ob Athen den IWF weiterhin bezahlen kann. Im Juni muss Griechenland 1,54 Milliarden Euro an den Fonds überweisen. Zahlungstermine sind am 5., 12. und am 19. Juni. Was geschieht, wenn Syriza einen Termin verpasst? Aus Sicht des IWF vorerst nicht viel: Regeln des Fonds zwingen ihn dazu, einen Monat lang zu warten, ehe er einen Zahlungsausfall erklärt. "In der Geschichte des Fonds ist es nicht außergewöhnlich, dass Länder Rückzahlungen versäumen und Nachfristen bekommen", sagt Raoul Ruparel, vom Londoner Thinktank Open Europe.

Totaler Ausfall

Entscheidend sei daher, ob der Fonds weiterhin bereit wäre, mit Athen zu kooperieren, um einen neuen Zahlungsplan festzulegen, sagt Ruparel. Er selbst glaubt daran: "Der IWF bekommt sein Geld ja auch nicht zurück, wenn er die Kooperation verweigert."

Viele Experten sagen trotzdem, dass ein Zahlungsausfall sofort fatal wäre, und zwar wegen der "cross default clauses". Solche Klauseln legen fest, dass alle Schuldscheine eines Landes automatisch fällig gestellt werden, wenn der Staat auch nur eine einzige Zahlung nicht leistet.

Tatsächlich beinhalten alle griechischen Schuldscheine, die von Banken, Versicherungen und Fonds gehalten werden, seit 2012 solche Klauseln. Etwa 60 Milliarden Euro an Staatspapieren aus Hellas halten private Geldgeber. Werden sie alle über Nacht fällig gestellt, droht wirklich Chaos.

Kein Downgrade

Doch der IWF ist laut den Schuldscheinen nicht von den erwähnten Klauseln erfasst. Wenn Athen den Währungsfonds nicht bezahlt, bleiben die übrigen Schulden unberührt. Selbst die Ratingagenturen würden Griechenland nicht auf die niedrigste Bonitätsstufe ("Default") abstufen, sagt Douglas Renwick von der Agentur Fitch. Dies würde nur geschehen, wenn Athen seine privaten Geldgeber nicht ausbezahlt. Das kann aber nicht vor 2019 passieren. Erst dann werden an sie Rückzahlungen fällig. Bis 2020 werden auch Kredite der übrigen Euroländer nicht fällig - auch hier droht also kein Problem.

Eine Schwierigkeit betrifft die Notkredite der EZB an Athen. Die griechischen Banken kommen am Markt nicht mehr zu Geld. Abhilfe schafft allein die Nationalbank in Athen: Sie darf mit Genehmigung der EZB frische Kredite an griechische Banken vergeben. Seit Wochen wird der Rahmen dafür erhöht – aktuell steht er bei 80 Milliarden Euro. Medial ist immer wieder spekuliert worden, dass die Eurozentralbank das Programm abdrehen wird, wenn Griechenland eine Zahlung nicht leistet. Verpflichtend wird die EZB dazu aber in keinem Papier. Die Führung der Zentralbank in Frankfurt müsste entscheiden. So wie sie das bisher auch schon wöchentlich tut, wenn sie immer neue Notkredite genehmigt.

EZB entscheidet

Notenbanker aus der Eurozone sagen, dass die EZB diese Kreditlinie nicht abdrehen will. Denn dies wäre das Ende des Euro in Griechenland "und das will nicht ausgerechnet die EZB verantworten", wie ein führender Notenbanker sagt, der anonym bleiben will.

Es ist also gut möglich, dass selbst wenn Griechenland eine Zahlung im Juni wirklich auslässt, zunächst rein gar nichts passiert.

Eine Lösung müsste politisch gefunden werden. Größter Geldgeber Athens sind die Euroländer über den sogenannten Rettungsschirm. Dieser kann laut Statuten nun wirklich entscheiden, dass alle griechischen Schulden sofort fällig sind, wenn Athen eine Zahlung verpasst. Aber das müssten die Finanzminister beschließen. Einen Pleiteautomatismus gibt es nicht. (András Szigetvari, 21.5.2015)