Männer sind ja einfach gestrickt. Sagt man. Oder frau. Eigentlich würde ich dem gerne widersprechen, und sei es nur für mich selbst. Bloß: Das haut nicht hin. Denn die – mir persönlich gar nicht bekannte – "Freundin", die mich da auf Facebook unlängst mit "Traust dich eh nicht" provozierte, hat natürlich gewonnen: Ich war da. Am Rad zwar, aber doch.

Nur: Die Agente provocateuse hat sich nicht zu erkennen gegeben. Dafür habe ich Ilse Dippmann kennengelernt. Und hatte eine Ausrede. Da zu sein. Zuzusehen. Und sogar Bilder zu machen: Letzteres hätte ich mich sonst an einem Mittwochabend auf der Hauptallee nämlich wirklich nicht getraut.

Foto: Thomas Rottenberg

Am Mittwochabend gehört die Allee nämlich den Frauen. Zumindest in der heißen Phase vor dem Frauenlauf: Da ist Gruppentraining. Und wer bei "Gruppentraining" an Grüppchen von fünf, vielleicht zehn Läuferinnen und Läufern denkt oder ohne Vorwarnung ins Frauenlauf-Training stolpert, kann schon einen kleinen Schock bekommen.

Weil die Damen da in Kompaniestärke unterwegs sind: Ich kenne Veranstalter, die froh wären, wenn bei ihren Läufen so viele Teilnehmer antanzen würden, wie beim Frauenlauf zu einem durchschnittlichen Training kommen. 500 werden es schon sein, sagte Ilse Dippmann. So, als wäre das ganz normal.

Foto: Thomas Rottenberg

Ist es ja auch. Jedenfalls für Frau Dippmann. Die ist nämlich die Veranstalterin des Wiener Frauenlaufs. Heuer findet er am 31. Mai statt. Und dass ich so knapp davor darüber schreibe, tut der Veranstalterin nicht weh: Der Lauf ist ausgebucht. Seit Monaten. Rund 33.000 Frauen werden da fünf oder zehn Kilometer laufen – oder fünf Kilometer nordisch spazieren gehen. Und den Rest des Jahres werden die Frauenlauf-Shirts dann auf den Laufrouten der Stadt noch omnipräsenter sein als die Nightrun-Leiberln.

Schuld daran ist, wie bereits erwähnt, Ilse Dippmann. Die hat 1986 die Idee zu dem Frauenlauf gehabt und veranstaltet ihn seit 1988. Eigentlich wollte die damalige Lehrerin ja nur ihr Leben verändern. Gesünder werden, sein, bleiben. Tschick und Co durch mindergiftige Süchte ersetzen. Also lief sie.

Foto: Thomas Rottenberg

Bild nicht mehr verfügbar.

Das war damals in den 80ern weder selbstverständlich noch hip. Nicht bei Männern. Schon gar nicht bei Frauen. Nur zur Erinnerung: Bis Kathrine Switzer (hier im Bild) 1967 "illegal" beim Boston-Marathon startete und der Renndirektor beim Versuch, sie gewaltsam aus dem Rennen zu bugsieren, fotografiert und weltberühmt wurde, waren Frauen auf der Langstrecke ein No-Go. (Männliche) Experten fabulierten unter anderem und allen Ernstes, dass beim Laufen die Gebärmutter "herausfallen" könnte.

Und auch nach Switzers Eisbrecher-Auftritt dauerte es noch ewig und drei Tage, bis Frauen im Laufsport das Recht auf die gleichen Distanzen wie bei Männern zugestanden wurde. (Davon, dass bei Lauf-Großevents Start- und Preisgelder für Spitzenathletinnen teils dramatisch unter denen ihrer männlichen Kollegen lagen: geschenkt.)

Foto: apa/epa/moya

1986 war Ilse Dipmann beim New-York-Marathon. Und musste nach Luft schnappen: Die Zahl und die Selbstverständlichkeit, mit der Frauen dort mitliefen, waren ein Initialerlebnis. Und die Geschichte, die in New York zu dieser Selbstverständlichkeit geführt hatte, wollte Dippmann aus den USA ex- und nach Österreich importieren. Denn 14 Jahre zuvor, 1972, hatte Fred Lebow, der Erfinder des NY-Marathons, gemeinsam mit Kathrine Switzer den ersten "Crazy Leg Marathon" veranstaltet. Den ersten "Women only"-Lauf. Den gibt es heute übrigens immer noch. Er heißt nur anders: "New York Mini 10k".

Lediglich 16 Jahre nach New York fand dann auch in Österreich der erste Frauenlauf statt: Am 12. Juni 1988 liefen 440 Frauen durch den Laxenburger Schlosspark. Der Rest ist eine Erfolgsgeschichte, die sich auf der Seite des – natürlich längst auch markenrechtlich geschützten – Österreichischen Frauenlaufs detailliert nachlesen lässt. Nur so viel: Seit 1996 gibt es die Frauenlauftreffs. 2005 traten erstmals mehr als 10.000 Frauen an. 2010 hatte sich die Zahl noch einmal verdoppelt. Und heuer, am kommenden Sonntag, werden 33.000 Frauen mit dabei sein.

Foto: Thomas Rottenberg

Bis ich vor zwei Wochen dann ins Mittwochabendtraining hineinprovoziert wurde, hatte ich zu dem Lauf eigentlich null Bezug. Ich war ihm ausgewichen: Nachdem ich ein oder zwei Mal miterlebt hatte, wie grotesk sich manche Männer in Pose schmeißen, wenn ihnen die Läuferinnen-Pulks auf der Hauptallee entgegenkommen, wie sich manche Männer da an manche Gruppen anhängen, um dann – in Heldenhaltung – "eindrucksvoll" vorbeizuziehen (und dann, 100 Meter weiter, einzugehen), meide ich die Prater-Hauptallee am frühen Mittwochabend.

Besonders elend, und das sage ich als einer, der die Kamera fast immer in der Hand hat, ganz bewusst: Verstohlen-mit-dem-Handy-Frauen-beim-Sport-Fotografierer. Ich knipse nicht "geheim" – und will da nicht einmal ansatzweise oder irrtümlich in dieser Testosteron-und-Spanner-Schublade landen.

Foto: Thomas Rottenberg

Aber da ist noch etwas: Ich hatte bisher auch keine Meinung zur "Notwendigkeit" von Frauenläufen. Ich laufe am liebsten gemischt. So, wie ich lebe. Meinetwegen soll jeder und jede in der Kombi herumrennen, die ihm oder ihr Spaß macht. Nur: Als hier vor einigen Wochen die Kärntner Laufbloggerin Edith Zuschmann (aka "Running Zuschi") einen Gastbeitrag über ihren Trip zum Club-261-Frauenlauf mit Kathrine Switzer in Palma veröffentlichte, posteten ein paar Herren der Schöpfung, dass solche Events Männer diskriminieren würden. Sie meinten das ernst.

Seither weiß ich: Solange es Männer gibt, die sich echauffieren, wenn Frauen etwas nur für sich und ganz ohne uns machen (ohne dass den "Ausgeschlossenen" daraus ein echter Nachteil entsteht), ist es gut und richtig, dass es genau das gibt. Und aus.

Foto: Thomas Rottenberg

Aber um da auch den weiblichen Blick darauf zu haben, bat ich Frauen-Laufbloggerin Running Zuschi um eine kleine Wortspende. Die schickte sie auch prompt. Bezeichnenderweise vom Frauenlauf aus Budapest.

thomas rottenberg

"Warum Frauenläufe im 21. Jahrhundert? Sie sind nach wie vor eine wunderbare Möglichkeit, Frauen und Mädchen zum Laufen zu bewegen. Sie können ohne (Leistungs-)Druck loslaufen und müssen niemandem etwas beweisen."

"Seit nunmehr 43 Jahren gibt es Frauenläufe, und sie sind zu einem fröhlichen Laufget2gether unter Frauen geworden. Es geht nicht um Schneller, Höher, Weiter, sondern es ist dieser ganz besondere Community-Spirit, warum Frauenläufe sich großer Beliebtheit erfreuen. Alle haben Spaß und dürfen dieses ganz besondere Gefühl, als Siegerin im Ziel gefeiert zu werden, genießen."

"Die Community ist es, die Frauen auch nach dem eigentlichen Bewerb am Laufen 'hält' ... und das hat bekanntlich unzählige Benefits." (Thomas Rottenberg, 27.5.2015)

Frauenlauf

Club 261

Foto: Horst von Bohlen