Die Ohrregion des Taguans (Petaurista petaurista), eines Riesengleithörnchens, wurde mittels Mikrocomputertomographie untersucht und danach dreidimensional rekonstruiert. Aus dem Vergleich mit verwandten Arten kann man erkennen, wie sich die Lebensweise in der Anatomie widerspiegelt. Und diese Erkenntnisse lassen sich auch auf Fossilienfunde anwenden.

Foto: Cathrin Pfaff, Universität Wien

Wien - Es gibt über 270 verschiedene Arten von Hörnchen - und obwohl sie sehr eng verwandt sind, haben sie höchst unterschiedliche Lebensweisen und damit auch Fortbewegungsarten entwickelt: Von kletternden und springenden Arten wie dem Eichhörnchen über von Baum zu Baum segelnde wie die Gleithörnchen bis zu laufenden und grabenden wie dem Präriehund.

Unterschiede zwischen den Arten

Der Lebensstil hat offenbar Auswirkungen auf den Gleichgewichtssinn der Tiere, berichtet ein Forscherteam um die Biologin Cathrin Pfaff von der Universität Wien. Und zwar solche, die auf den ersten Blick paradox erscheinen: Je schneller sich ein Hörnchen fortbewegt, desto ungenauer funktioniert sein Gleichgewichtsorgan - man würde es wohl eher umgekehrt vermuten.

Allerdings haben die Biologen dafür eine logische Erklärung parat: Durch diese Anpassung wird das Gehirn selbst bei rasanter Geschwindigkeit nicht mit Informationen überflutet, erklären die Forscher im Fachmagazin "Proceedings of the Royal Society B".

Die Untersuchung

Die Wissenschafter haben die Bogengänge des Gleichgewichtsorgans im inneren Ohr von Hörnchen mit Computertomographie (CT) vermessen. Auch die aktiv fliegenden Fledermäuse wurden in die Studie aufgenommen, um das untersuchte Fortbewegungs-Spektrum zu erweitern.

Obwohl Gleithörnchen und Fledermäuse eigentlich mehr Informationen über ihre Lage im Raum benötigen, haben sie deutlich dünnere Bogengänge und damit weniger empfindliche Gleichgewichtsorgane als die am Boden lebenden Tiere, so die Forscher. Die größten und feinfühligsten Bogengänge fanden sie bei grabenden Arten.

"Wenn sich ein Tier aktiv durch die Luft bewegt und rasch in den drei Dimensionen zurechtfinden muss, dann müssen die passenden Informationen in das Gleichgewichtsorgan einfließen, damit es nicht tödlich gegen den nächsten Baum knallt", sagte Cathrin Pfaff, die am Department für Paläontologie der Uni Wien forscht. Sie und ihre Kollegen gehen davon aus, dass die Grundsensitivität des Gleichgewichtsorgans bei solchen Tieren niedriger ist, damit ihre Gehirne nicht von Informationen überflutet werden.

Spannende Rückschlüsse bei Fossilienfunden möglich

Ziel der Studie sei es jedoch vor allem gewesen, dass man in Zukunft die Lebensweisen ausgestorbener Nagetiere einfacher ermitteln kann, sagte Pfaff. "Wenn jemand ein fossiles Tier findet, kann er einen CT-Scan des Innenohres machen und anhand unserer Vergleichsdaten sehen, wie es sich einst bewegt hat", erklärte die Wissenschafterin. (red/APA, 7. 6. 2015)