In bestimmten Situationen wäre innezuhalten, nachzudenken und dann erst zu reagieren eine vernünftige Vorgehensweise. Ziemlich unvernünftig war es, dass einige Exponenten des europäischen Fußballverbandes Uefa nur wenige Stunden nach der Festnahme aktueller und ehemaliger Funktionäre des Weltverbandes Fifa in Zürich von einem Boykott des Fifa-Kongresses samt der für heute anberaumten Präsidentenwahl faselten.

Das war auch insofern voreilig, als die Uefa ein Papiertiger und in der Sache bei weitem nicht so einig ist, wie die Wortführer aus Deutschland, England und Frankreich glauben machen wollen. Wer etwa wissen will, wie die russische Delegation und Delegationen befreundeter Verbände zu Blatter stehen, braucht nur die Statements von Wladimir Putin zu den laufenden US-Ermittlungen studieren.

Stimmen andererseits die Gerüchte, dass angesichts des Ausmaßes des aktuellen Skandals selbst bisher Blatter-Hörige ihre Treue gegenüber dem Fußballpatriarchen überdenken, wäre es von den Europäern doppelt widersinnig gewesen, sich die kleine Chance zu nehmen, den eigenen, schwachen Kandidaten auf den Präsidentensessel zu hieven.

Der einzige ernstzunehmende Boykott, den die europäischen Blatter-Gegner lancieren könnten, wäre, wie von Michel Platini jetzt angedroht, der Boykott der nächsten WM-Endrunden. Finanziell weniger schmerzhaft ist es aber, auf eine Lösung durch die US-Behörden zu hoffen. (Sigi Lützow, 28.5.2015)