Wenn heute in Wien in der Grellen Forelle Mego, das Label der Eigensinnigen, seinen 20. Geburtstag feiert, wird auch Klara Lewis an den Knöpfen drehen – und unendliche Tiefen aufreißen.

Foto: Hampus Högberg

Wien – Manchmal muss man seinem Kühlschrank zuhören. Und erkennen, dass all das Gesurre und Klackern nicht Hintergrundlärm sind, sondern Klang. Das kann zu vielem führen. Zumindest war es eine solche mystische Übung nach John Cage, dem Fürsprecher der Stille, die 1995 maßgeblich an der Geburt des Wiener Labels Mego mitwirkte.

Die Geschichte geht so: Mitte der Neunziger irritierte der Techno in Wien das konservativ gewordene, an Gitarren und expressiven Schweiß gewöhnte Rock-'n'-Roll-Publikum. Als man dann in Lokalen wie der Blue Box als Fan maschinenbestimmter Musik immer weniger schief angeschaut wurde, gingen die Wiener Ramon Bauer und Andreas Pieper, Betreiber eines Technolabels namens Mainframe, noch weiter.

Für ihr neues Label Mego holten sie nicht nur den Londoner Querkopf Peter Rehberg ins Boot, der einen gewissen "Club Duchamp" betrieb. Sie holten auch den Sound aus der Kühlkammer der Blue Box auf eine Erstveröffentlichung namens Fridge Trax.

Songs nur mit doppeltem Boden

Sounds, die dem am Mainstream geschulten Hörer eher als strenge Kammer erscheinen, ins Licht zu rücken, diese Geste ist für Mego programmatisch. Wenn das Projekt heuer sein 20-jähriges Bestehen begeht, feiert man auch die beharrliche Widerborstigkeit: Es ist der Hang zum Abwegigen, der den Mego-Katalog bestimmt. Es ist, vor allem im Vergleich zum sogenannten Pop, Musik, die man beim Verdauen auch spürt. Songs kommen hier, wenn überhaupt, nur mit doppeltem Boden. Eher bekommt man es aber ohnehin mit wüsten Noise-Experimenten, etwa aus der Hand des Japaners Merzbow, oder mit ausufernden, spröden Gitarrenrock-Dekonstruktionen von Christian Fennesz zu tun. Sich der E-Musik annähernde Plink-Ploink-Kompositionen treffen auf verschrobene Impro-Variationen. Im Katalog vertreten sind Radian ebenso wie der hochproduktive US-Amerikaner Jim O'Rourke, der auf Mego die tief reichenden Wurzeln seiner Songalben präsentiert.

Nach wirtschaftlichen Problemen Mitte der Nullerjahre betreibt Rehberg das Label heute unter dem Namen Editions Mego allein. Die Leidenschaft zu den Randerscheinungen des Musikkosmos ist allerdings geblieben. Auf diversen Sublabels legt er Protagonisten der Musique Concrète neu auf oder huldigt Synthesizerkompositionen, die bisweilen auch mit der Easy-Listening-Welt kokettieren.

Glitch-Kathedralen

Eine Gemeinsamkeit bei aller Heterogenität ist indes, dass man es hier tendenziell mit Musik zu tun bekommt, die sich Zeit nimmt, riesige Räume zu umreißen: Hier werden Glitches durchs Hallgerät geschickt, dort Linien aus Plastiksynthesizern bis zur Sakralität geloopt. Eine andere Prämisse Rehbergs sieht vor, die Virtuosität außen vor zu lassen. Dass etwa das Trio Emeralds auf der Bühne den Anschein erweckte, dass hier Noise-Musiker eben erst die Funktionsweise ihre Synthesizer erkunden, ist dem Mastermind ganz recht. Er legt es auf Unverbildetheit an. Im umfangreichen Katalog von Mego schlägt sich so nicht zuletzt tatsächlich jene Demokratisierung der Musik nieder, die das neue Produktionsmittel Laptop versprochen hat.

Zum Wesen Megos gehört dann allerdings auch der dezentralisierte Gedanke. Er korrespondiert mit dem Phänomen, dass selbst Mego-"Popstars" wie Fennesz stets außerhalb Österreichs mehr Resonanz erlebt haben als in Wien selbst. Und so ist auch die 20-Jahr-Party ein weltumspannendes Unterfangen ist. In Tokio wurde gefeiert, aber auch am Sonar-Festival in Barcelona und in London.

Eines von zwei Wien-Gastspielen gibt Mego am Freitag in der Grellen Forelle. Auf dem Line-up steht dabei Ambient-Techno des italienischen Produzentenduos Voices of the Lake, aber auch die von Störgeräuschen zusammengehaltenen Soundkathedralen von Klara Lewis und Technodekonstruktionen der Wiener Musikerin Christina Nemec. (Roman Gerold, 29.5.2015)