Österreichweit wurden im Laufe des letzten Jahres zahlreiche Quartiere neu eingerichtet, viele in kleineren Dörfern und Gemeinden. Auch wenn erst in etwa 20 Prozent der österreichischen Gemeinden Asylwerber eine vorübergehende Bleibe finden, so ist der Anteil jener Gemeinden, in denen nun erstmals Flüchtlinge leben, deutlich gewachsen. In vielen dieser Gemeinden läuft die Aufnahme unaufgeregt und gut.

Was ist in den Asylunterkunft-nein-Gemeinden los?

Es gibt aber auch Gemeinden, die eine Aufnahme von Asylsuchenden strikt ablehnen, in denen Konflikte eskalieren, die Unterbringung zeitlich massiv verzögern oder selbst nach längeren Verhandlungen diese nicht erlauben. Warum ist das so? Es stimmt, was immer wieder behauptet wird, dass manche Bürgermeister Stimmverluste bei den Wahlen befürchten. Daran schließt sich aber die nächste Frage an: Warum? Was ist in den Asylunterkunft-nein-Gemeinden los? Der Widerstand ist ein Gemenge von politischem Opportunismus aufseiten der Bürgermeister, der Mobilisierung von Ängsten durch die rechtspopulistische Opposition und von lokalen Geschichten, Gerüchten und auf Misstrauen und fehlender Gemeinwohlorientierung aufbauenden Konflikten, die auf dem Rücken von Asylwerbern ausgetragen werden.

In Österreich haben die Bürgermeister in der Unterbringung eine zwiespältige Rolle: Sie besitzen keine rechtliche Zuständigkeit bei der Entscheidung über Quartiere (Ausnahme sind eine allfällige Flächenwidmung oder baupolizeiliche Maßnahmen), die Zuständigkeit liegt bei Bund und Ländern. Die Bürgermeister aber haben Softpower, sind Schlüsselfiguren dafür, wie sich die Stimmung entwickelt, entlädt, kanalisiert, d. h. letztlich ob Asylsuchende aufgenommen werden oder nicht. Sie können eine unterstützende oder ablehnende Informationstaktik gegenüber den Bürgern anwenden, sie können ihre politische Autorität, ihren Zugang zu zivilgesellschaftlichen Organisationen, Vereinen und Informationskanälen in die eine oder in die andere Richtung einsetzen.

Parteipolitische Überlegungen und lokale Konflikte

Die Bürgermeister agieren aber auf einem Feld privater und öffentlicher Interessen, polarisierter parteipolitischer Überlegungen und lokaler Konflikte wie:

· Wer und welche Interessen stehen hinter dem Geschäftsmodell "Asylunterkunft"? Dieses Modell ist nicht neu, es wurde in manchen Bundesländern (z. B. in Salzburg) bereits im Zuge der Grundversorgungsvereinbarung nach 2004 praktiziert. Mit den steigenden Antragszahlen seit 2014 gewinnt es aber wieder an Bedeutung. Es beinhaltet, dass Private ihre nicht mehr so gut laufenden Pensionen, heruntergekommenen Hotels und Privathäuser, leerstehenden Gasthäuser und Feriensiedlungen den Landesbehörden vermieten und so von einer Aufnahme von Flüchtlingen profitieren. Tatsächlich gibt es häufig Widerstand in jenen Gemeinden, in denen jemand von außerhalb ein Gebäude aufkauft oder jemand eine Immobilie, die in der Wahrnehmung der Bevölkerung nicht ganz auf korrekte Art erworben wurde, eine Lokalität als Asylunterkunft vermieten möchte.

· Wie mobilisiert die FPÖ? Die Unterbringung als Teil der Asylpolitik ist ein parteipolitisch heiß umkämpftes Thema, das in Versammlungen, Bürgerinitiativen, Petitionen bis hin zu Befragungen bespielt wird. Dabei werden sowohl ein Asyl generell ablehnender bis kriminalisierender Diskurs angewandt als auch bestimmte Bedingungen in den jeweiligen Gemeinden aufgegriffen.

· Wie steht es in der Gemeinde mit öffentlichen Einrichtungen? Widerstand gibt es tendenziell dann, wenn öffentliche Einrichtungen zurückgebaut (Polizei, Post etc.), gleichzeitig Asylunterkünfte eröffnet werden. Diese Situation lässt sich von der rechten Opposition vortrefflich für eine Anti-Stimmung nutzen. Andererseits aber verstummt Widerstand oder entsteht erst gar nicht, wenn sich das Geschäftsmodell nicht nur privat, sondern auch für die Gemeinde monetär rechnet. Wenn durch Flüchtlinge die Gemeindebevölkerung wächst und so etwa die Volksschule gehalten oder ein Kindergarten betrieben werden kann oder wenn gar magische Grenzen für den Finanzausgleich überschritten werden.

Positive Haltung der Bevölkerung gewinnen

Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, was getan werden sollte, um eine positive Haltung der Bevölkerung bei der Einrichtung von Quartieren zu gewinnen. Kurzfristig geht es darum, den richtigen Zeitpunkt des Einbindens zu finden und problemadäquate Informationen zu geben. Mittel- und langfristig ist tagtäglich an der Selbstverständlichkeit der Genfer Flüchtlingskonvention festzuhalten. Ob Zeltstädte bei diesem Anliegen mehr helfen denn schaden, wird sich noch zeigen. Jedenfalls aber bedienen sie einmal mehr die verbreitete Angst vor "Flüchtlingsströmen" und "Überflutung".

Wie aus Studien bekannt ist, sickern nationale Debatten auf die lokale Ebene durch, dorthin also, wo Politik umgesetzt und erfahren wird. Dieser These zufolge speisen sich Deutungen, Widerstände, Gleichgültigkeit, aber auch Unterstützung gegenüber Flucht und Asyl aus national dominanten Problemwahrnehmungen und Lösungsvarianten. Folglich: Es bräuchte ein Zusammenspiel aller drei politischen Ebenen - Bund, Land, Kommune -, bei dem sowohl Bilder als auch Maßnahmen koordiniert und das Geschäftsmodell "Asylunterkunft" humanitär gestaltet wird. (Sieglinde Rosenberger, 31.5.2015)