Provokationskurs: Präsident Petro Poroschenko mit seinem neuen Gouverneur Micheil Saakaschwili.

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Drei Themen mit Bezug zum Konflikt zwischen der Ukraine und Russland beherrschten am vergangenen Wochenende die Nachrichten aus der Region: die von Moskau verhängten Einreiseverbote für Dutzende EU-Politiker, der drohende Bankrott der Ukraine und die Ernennung des georgischen Ex-Präsidenten Micheil Saakaschwili zum Gouverneur der ukrainischen Oblast Odessa. Während ersteres EU-weit für Aufregung und Entrüstung und zweiteres für Besorgnis bei den Gläubigern sorgte, blieben zur letzen Meldung die europäischen Regierungen ebenso wie der Großteil der medialen Kommentatoren auffällig still. Dabei verdient sich diese im internationalen Vergleich wohl einzigartige Personalie einen genaueren Blick.

Dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zufolge soll Saakaschwili für Disziplin und Reformen sorgen. Die Entscheidung solle weiters den Einfluss der Oligarchen (zu denen Poroschenko nicht zuletzt selbst zählt) einschränken.

Ex-Verteidigungsminister verurteilt

Das wäre ein löblicher und notwendiger Schritt, denn die Ukraine belegt im internationalen Korruptionsranking mittlerweile fast schon traditionell den letzten Platz von allen europäischen Staaten. Dass Saakaschwili daran etwas ändern wird, darf bezweifelt werden: Zwar hat er in seiner zehnjährigen Regierungszeit zunächst einige Reformen durchgeführt, im Laufe der Jahre herrschte er jedoch zunehmend autoritär über Georgien und ging gegen Oppositionelle ebenso wie gegen Journalisten hart vor. Die neue georgische Regierung hat gegen ihn mittlerweile ebenso wie gegen zahlreiche weitere Schlüsselfiguren seiner Herrschaft Verfahren angestrengt. Während sein ehemaliger Premier Wano Merabischwili wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen eine Oppositionsdemonstration zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, setzte sich Saakaschwili in die USA ab.

Der nach einem Folterskandal in Gefängnissen verurteilte Ex-Verteidigungsminister Batscho Achalaia wurde von Saakaschwili noch kurz vor Ablauf seiner Amtszeit begnadigt, mittlerweile jedoch erneut verurteilt.

Die Berichte über den verschwenderischen Regierungsstil Saakaschwilis sind Legion: So soll er sich auf Kosten der Steuerzahler Botoxbehandlungen in den USA unterzogen haben. Auch der Erwerb eines Aktbildes, Abnehmkuren in Österreich, Feste in Dubai, Reisekosten für Models, Haarentfernungen, ein Stylist und die Miete für eine Yacht in Italien sollen auf Staatskosten abgerechnet worden sein.

Der Bau von Saakaschwilis Präsidentenpalast in Tiflis soll Berichten zufolge mehrere hundert Millionen Euro verschlungen haben. Alleine die nächtliche Beleuchtung der dem deutschen Reichstag nachempfundenen gläsernen Kuppel kostete 372.000 Euro jährlich, was die neue Regierung rasch abstellte.

Kriegsrecht und Zahlungsstopp

Wenn also der Bock zum Gärtner gemacht wird, sollte dies eigentlich bei den europäischen Geldgebern Kiews die Alarmglocken läuten lassen, doch ein Aufschrei der Empörung blieb ebenso aus wie bei Poroschenkos Drohung mit der Einführung des Kriegsrechts und dem Beschluss eines Gesetzes, mit dem Kiew die Rückzahlung der Auslandsschulden per Moratorium verhindern kann.

Was Poroschenko, der Berichten zufolge seit seinem Amtsantritt sein Einkommen versiebenfacht haben soll, also mit der Postenbesetzung tatsächlich bezweckt, kann nur vermutet werden. Es dürfte dem Präsidenten im eigenen Land an einer Machtbasis mangeln, zu einflussreich ist seine Oligarchenkonkurrenz. Dass die Ernennung des mit Haftbefehl gesuchten eine Brüskierung Georgiens darstellt, dürfte Kiew egal sein: Für das Amt musste Saakaschwili die ukrainische Staatsbürgerschaft annehmen, was den gleichzeitigen Verlust der georgischen bedeutet. Allerdings ist der Ex-Präsident in seiner ehemaligen Heimat immer noch Chef der Oppositionspartei ENM ("Vereinte Nationale Bewegung"), wofür die Staatsbürgerschaft Georgiens unabdingbar ist.

Provokation

Saakaschwili dient Poroschenko ganz offensichtlich als Provokation für Moskau wie auch für die russischen Odessiten. Eine objektive Aufarbeitung der Gewalt vom 2. Mai 2014 wird es unter seiner Führung nicht geben. Damals starben in Odessa bei Zusammenstößen zwischen prorussischen und proukrainischen Gruppen dutzende Menschen, die meisten davon, als das Gewerkschaftshaus in Brand gesetzt wurde, in dem sich prorussische Demonstranten verschanzt hatten.

Und das Verhältnis zu Russland wird sich dadurch auch nicht bessern: Moskau hat nicht vergessen, welche Rolle der georgische Ex-Staatschef im Südossetienkrieg 2008 spielte, als die georgische Armee die seit 1992 in der abtrünnigen Provinz stationierten russischen Friedenssoldaten und flüchtende Zivilisten unter Artilleriefeuer nahm. Damals wurden auf georgischer Seite auch ukrainische Waffen und nationalistische Söldner der rechtsextremen Gruppe "UNA-UNSO", aus der mittlerweile der "Rechte Sektor" hervorgegangen ist, eingesetzt.

Für die europäischen Regierungen scheint die Kränkung durch revanchistische Einreiseverbote jedoch wichtiger zu sein als die problematischen Entscheidungen der Kiewer Regierung. (Michael Vosatka, 1.6.2015)