Politik als Showeinlage: Die chilenische Theatergruppe La Re-sentida zeigt Präsident Salvador Allende, wie's geht.

Foto: Pablo de la Fuente

Wien - Chile, September 1973. "Es ist vermutlich das letzte Mal, dass ich mich an Sie wende ..." - Nein, nein, so geht das nicht: die Worte zu schwach, das Gesicht zu ähnlich dem von Stalin! Die Speichellecker und Macher der Macht rotieren und wechseln die Inszenierung: Das staatstragende Brimborium wird zur Wald-und-Wiesen-Kulisse mit dem Señor Presidente im weißen Trainingsanzug und lieben Kindern. Eine der Zukunftdes-Landes-Attrappen kippt während der Aufzeichnung vornüber. Ein schlechtes Omen? Der Bildergenerator der Polit-Show, die vom Schein lebt, läuft auf Hochtouren.

Geschichten sind auch dazu da, Geschichte umzuschreiben. Zumindest probeweise. Das versuchen La Re-sentida, die "Punks des chilenischen Theaters", in La Imaginación del Futuro / Phantasie für morgen. Historischer Hintergrund der szenischen Überdrehtheit, die für die Festwochen im Brut zur Aufführung, ja zum Spektakel kommt, sind die letzten Tage Salvador Allendes als Präsident von Chile. Was, wäre er nicht geputscht worden?

Aufgezogen, wie das Koks

Bilder stürzen über Bilder. Da ist etwa Roberto aus der Kiste: zwölf Jahre, im Schmutzmantel, bedürftig. Zuerst auf ihn vereidigt, wird das Publikum dann abkassiert - und wer nicht zahlt, an den Videopranger gestellt. Dank Handkamera sind wir mittendrin, wenn die engagierteste Spendeneintreiberin für das Gute sich die Bluse vom Leib reißt und kopfüber in den Schoß eines Geizigen aus dem Publikum wühlt. Daneben: Straßenschlacht, Strandfete, Drogenparty (zum dunklen Anzug trägt man weiße Schnäuzchen), ein Büroaffe, eine Genossen-Rede vom Coca-Cola-Kühlschrank aus ...

Über dem vollen Körpereinsatz der Chilenen steht eine zuweilen schwer lesbare Projektion der deutschen Übersetzung. Das ist schade, erleichtert aber die Entscheidung, woran man seine Blicke lieber heftet. (wurm, 1.6.2015)