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PGP-Erfinder Phil Zimmermann warnt eindringlich vor Smart-TVs mit Webcam und Mikrofon

Foto: dapd/Zinken

Vor exakt 25 Jahren wurde Österreich durch die Universität Wien mit dem Internet verbunden. Eigentlich ein Grund zum Feiern, wären da nicht NSA, GCHQ, BND und andere datenhungrige Geheimdienste, die das freie Netz gefährden. Was soll erst passieren, wenn das Internet of Things omnipräsent wird? Das wurde auf der von der Uni Wien und AcoNet präsentierten Veranstaltung Net:Future diskutiert. "Seid vorsichtig, was ihr jetzt sagt", warnt PGP-Erfinder Phil Zimmermann die anderen Podiumsgäste, als kurz vor Beginn der Diskussion deren Mikrofone angeschlossen werden.

"Wir haben versagt"

Zimmermanns Scherz kann aber durchaus als Leitmotiv der Diskussion, die von Mirjam Kühne (RIPE Labs) geleitet wird, gesehen werden. "Wir haben versagt", meint etwa die Cyber Security-Expertin Jessica Barker mit Blick auf ihre Branche. Normale Nutzer hätten den Eindruck, sowieso nichts gegen Hacker unternehmen zu können – egal ob diese im Auftrag des Staates oder krimineller Organisationen unterwegs seien. Auch Forscher Felix Stalder warnt davor, dass die positiven Effekte des Internets gefährdet seien. Was den Geist des Netzes ausmache – freiwillige Mitarbeit, besondere Formen der Organisation – werden von Geheimdiensten unterminiert. Beispiel dafür ist etwa Wikipedia.

Cryptowars, Teil 2

Geheimdienste seien extrem schwierig zu kontrollen, so Stalder – doch parlamentarische Übersicht sei die einzige Möglichkeit, Missbrauch zu vermeiden. Ein harter Kampf, der schon in den Cryptowars der 1990er ausgefochten worden ist. "Wir dachte, wir hätten gewonnen", erinnert sich PGP-Erfinder Zimmermann, "aber ihnen gehören alle Router, sie hacken alle Router." Berichte über seine "Flucht in die Schweiz" spielt Zimmermann herunter: "Ich bin nicht im Exil oder so." Doch es stimme, dass die Kunden seiner Firma Silent Circle, die verschlüsselte Telefonie anbietet, vor dem Zugriff von US-Behörden schützen wolle. Das sei in der Schweiz natürlich besser möglich in den USA: "Mein Umzug hat also rein ökonomische Gründe".

Firmen gierig auf Daten

Ökonomische Motive fürs Datensammeln sind es auch, die Zimmermann fast noch mehr als Geheimdienste beunruhigen. Hier kommt die Diskussion dann auch auf das Internet der Dinge zu sprechen: Natürlich könne man die ganzen smarten Gerätschaften, die uns künftig umgeben, mit Verschlüsselung ausstatten. Doch heimtückischerweise sind es ja genau die begehrten Features, die intime Daten benötigen. Beispielsweise ein Samsung-TV: Dieser zeichne permanent per Webcam und Mikrofon auf.

Beim Porno-Schauen gefilmt werden

Logische Konsequenz, so Zimmermann: "Ihr Wohnzimmer wurde zu Nordkorea gemacht, mit freundlicher Unterstützung von Samsung." Das gefährde unsere Privatsphäre enorm, führt der Verschlüsselungs-Pionier weiter aus: "Sie schauen auf ihrem Fernseher Pornos, machen weiß Gott was dabei – und schon ist das Video davon bei Samsung hochgeladen worden." In dieselbe Bresche schlägt auch Louis Pouzin, der entscheidend an der Entwicklung des Internets mitgearbeitet hat. "Vor 25 Jahren konnte sich keiner vorstellen, wie das Netz sich entwickeln würde", so Pouzin.

Illiberale Atmosphäre

Er sieht einen "Schwarzmarkt für geheime Informationen", NSA-Mitarbeiter würden ihre Kinder und Partner überwachen; das könnte allgegenwärtig werden. "Sie gefährden das gute Leben und sorgen für Illiberalität", klagt Pouzin an. Da stoppt ihn Zimmermann: "Ich bin durchaus verzweifelt, und Sie verstärken das gerade ungemein", beschwert er sich. Denn wir dürfen nicht gelähmt sein, sondern müssen an Veränderungen arbeiten. "Wir haben die Sklaverei überwunden, die absolute Monarchie – Phänomene also, die mit enormer Macht verbunden waren", erinnert Zimmermann. Auch das nukleare Wettrüsten gehöre der Vergangenheit an. Da wäre es doch gelacht, wenn man nicht auch der Überwachung Einhalt gebieten könne. (Fabian Schmid, 3.6.2015)