Es gilt, Expertisezuwachs in der ÖVP zu feiern: Klubchef Reinhold Lopatka hat den Plenarsaal des Parlaments mit einem ansonsten eher im Fußballgeschäft üblichen Transfermarkt verwechselt und wurde dort zweier "Spieler" im Team Stronach ansichtig, die er auch gleich für sein Team verpflichten konnte. Marcus Franz, ein Arzt, und Georg Vetter, ein Rechtsanwalt, sollen fürderhin "zusätzliche Expertise und Perspektive" in den schwarzen Klub einbringen, hieß es zum Überläuferdeal.

Nun, das sind interessante Einblicke, die die einst stolze Volkspartei in ihr Innenleben zulässt. Ist sie bis jetzt in der Gesundheitspolitik ahnungslos im Nebel herumgelaufen, dass sie auf Franz angewiesen ist? Waren die Themen Unternehmertum und Privateigentum, denen Vetter Beine machen will, bisher wirklich verwaist, sodass es eines externen Vertreters bedurfte? Braucht die Volkspartei, die unter dem neuen Parteichef Reinhold Mitterlehner ja so gerne den Eindruck erwecken möchte, etwas Neues, Modernes anzubieten, und, ja, auch weiblicher werden zu wollen, ausgerechnet jemanden, nämlich Marcus Franz, der offensiv fürs Pograpschen wirbt (auch Vetter sinnierte in einem Blog über den "sexuell tadellosen neuen Menschen") und Homosexualität sowie freiwillige Kinderlosigkeit als "amoralisch" bezeichnet hat? Ist das wirklich die Expertise, die ihr bisher gefehlt hat? Ein Armutszeugnis.

Oder hat die Sache einen ganz anderen Hautgout? Zwei Abgeordnete bringen dem ÖVP-Klub 96.000 Euro zusätzlich. Nur her damit! Wenn Lopatka dann scherzt, damit würde den Steuerzahlern ja gar Gutes getan (weil das Team Stronach im Gegenzug 214.000 Euro verliert), dann ist das genau die alte Politik, die die Leute ankotzt. Gesinnung? Haltung? Glaubwürdigkeit? Bei der nächsten Wahlkampfrede sicher wieder im Repertoire. Der Rest ist Politik, die die Prinzipienlosigkeit zum Prinzip erhoben hat. (Lisa Nimmervoll, 4.6.2015)