Geht es nach der Europäischen Kommission, dann soll Tschechien mit seinen zehn Millionen Einwohnern in den nächsten Jahren 1853 (!) Flüchtlinge aufnehmen. Genug, um die sonst leidenschaftlich zerstrittenen Akteure der Politszene zu nie gekannter Einigkeit zu verleiten: Quoten aus Brüssel werden fast unisono abgelehnt.

Unterschiedliche Akzente gibt es bestenfalls im Ton: Für den rechten Oppositionspolitiker Tomio Okamura grenzt die Zustimmung zu fixen Kontingenten an Landesverrat. Der sozialdemokratische Premier Bohuslav Sobotka verweist darauf, dass die Verteilung der Flüchtlinge "ohne Rücksicht auf deren Willen" erfolgen würde. Sein Parteikollege, der Chef des Abgeordnetenhauses Jan Hamácek, warnt davor, dass die Bevölkerung die Quoten als "Brüsseler Diktat" wahrnehmen würde; Innenminister Milan Chovanec will Flüchtlingen helfen, aber "ohne Verpflichtung".

Prag steht mit dieser Haltung nicht allein da. Im Gegenteil. Für einige Reflexe ist die tschechische Politik geradezu symptomatisch: Die Angst vor Fremden ist dort besonders groß, wo es besonders wenige davon gibt. Manche Politiker schüren sie, andere warnen vor ihr - und zäumen damit dasselbe Pferd von hinten auf. Solidarität mit Hilfsbedürftigen kommt in der Debatte kaum vor. Vor allem aber: Die oft strapazierte Formel, dass gerade kleine Länder globale Herausforderungen am besten im Rahmen der EU bewältigen, verkommt im Testfall zum Lippenbekenntnis. (Gerald Schubert, 7.6.2015)