Zwischen Wut, Fassungslosigkeit und Resignation schwanken die Reaktionen der SPÖ-Funktionäre, die sich auf dem Städtetag zusammengefunden haben, der heuer in Wien stattfindet. Die Koalition mit der FPÖ im Burgenland erfreut viele Rote nicht. Sie nehmen ihrem Parteifreund Hans Niessl nicht ab, dass er binnen weniger Stunden einen Koalitionsvertrag mit 38 Seiten ausverhandelt hat. Vielmehr muss es schon vor dem Wahltag Verhandlungen gegeben haben, wenngleich das in Abrede gestellt wird, argumentieren sie.

Ausschließen aus der Partei – so weit wollten dann viele doch nicht gehen. Aber für immer mehr Parteimitglieder ist das Maß voll, und sie treten aus. Denn das ist nicht mehr ihre SPÖ, die eine Koalition mit einer Partei, die mit ausländerfeindlichen Parolen im Wahlkampf hetzt, eingeht.

Aber vorgeführt und verraten fühlen sie sich erst recht durch die Ereignisse in der Steiermark: Dass die eigenen Parteigenossen, namentlich Franz Voves, den Landeshauptmannsessel geräumt haben für einen Schwarzen, hat für viele das Fass zum Überlaufen gebracht. Denn angeblich soll Voves den Verzicht damit begründet haben, dass es außer ihm keiner kann in der Partei. Wenn die – bisher nicht dementierte – Aussage so gefallen ist, dann war dies ein Offenbarungseid, was die Personalreserven in der SPÖ betrifft, wenngleich Michael Schickhofer in der "ZiB 2" keine schlechte Figur gemacht hat, indem er auf insistierende Fragen beharrlich geantwortet hat, es sei der SPÖ um Inhalte gegangen.

Das glaubt zwar keiner, vielmehr herrscht die Einschätzung vor: Die SPÖ habe die Hosen bis zum Boden hinuntergelassen – so brachte es auf seine Art der rote Gewerkschafter Josef Muchitsch auf den Punkt. Genauso glaubt keiner, dass die ÖVP die SPÖ nicht mit der blauen Option erpresst hat. Auch wenn das der Wiener Klubobmann Reinhold Lopatka, der als Strippenzieher des Deals in der Steiermark gilt, am Mittwochabend beim "Runden Tisch" in Abrede gestellt hat. Er hat stattdessen auf Forderungen in der SPÖ, mit der FPÖ zu koalieren, verwiesen.

Diese Stimmen hat es vereinzelt aus dem Lager der Arbeiterkammer und Gewerkschaft gegeben, aber in der ÖVP war der Druck größer. Rot-Blau im Burgenland war für die steirischen Schwarzen ein Geschenk – freilich ein Danaergeschenk.

Die ÖVP mag zwar seit dem Obmannwechsel zu Reinhold Mitterlehner als gestärkt erscheinen, durch die Aufnahme zweier Stronach-Abgeordneter mit homophoben und frauenfeindlichen Aussagen und dem Buhlen um weitere Überläufer offenbart die ÖVP jedoch, dass sie nur an Machtzuwachs interessiert ist – selbst um den Preis der Beschädigung politischer Positionen. Hauptsache, das Drohpotenzial gegenüber dem Koalitionspartner wird größer. In der SPÖ ist Werner Faymann ein Parteivorsitzender, der nur noch geduldet wird. Zu einem Obmannsturz braucht es jedoch jemanden, der die Sache in die Hand nimmt, und einen Nachfolger. Der steht mit ÖBB-Chef Christian Kern schon bereit. Wenn die Zeichen in Wien auf noch stärkeren Absturz der SPÖ stehen, wird Bürgermeister Michael Häupl einen Befreiungsschlag versuchen und Faymann noch vor der Wahl im Oktober stürzen.

ÖVP und SPÖ haben ihre Glaubwürdigkeit ohnehin schon schwer beschädigt. Was sie eint, ist, alles für den Machterhalt zu tun. Der Wählerwille? Egal! (Alexandra Föderl-Schmid, 11.6.2015)