Erika G. Klien: "Lokomotive" (1926), eine Ikone des Wiener Kinetismus, die für das zentrale Thema der Bewegung steht.

Foto: Sotheby's

Detail aus Gustav Klimts Porträt von Gertrud Loew-Felsovanyi von 1902: Ob die damals 19-jährige Tochter des Sanatoriumsbesitzers Anton Loew eine Affaire mit Klimt hatte, wird wohl ein Geheimnis bleiben.

Foto: Sotheby's

Es war im Jahr 1902, als Anton Loew, der wie Sammlerkollege Carl Reininghaus zu den frühen Förderern der Secession gehörte, Gustav Klimt mit dem Porträt seiner Tochter Gertrud beauftragte. Die näheren Umstände, unter denen das Bildnis entstand, das nun bei Sotheby's in London versteigert wird, sind jedoch unbekannt. Nach einem Foto gemalt? Möglich, denn zugehörige Zeichnungen haben sich offenbar nicht erhalten.

Dagegen spricht die intime Aura, jene über den Bildausschnitt gewählte Nähe, die anderen von Klimt geschaffenen Porträts fehlt: Serena Lederer (1899, Metropolitan Museum of Art, New York), Margarethe Stonborough-Wittgenstein (1905, Staatsgemäldesammlung München) oder auch Emilie Flöge (1902-04, Wien-Museum) wirken allein über die Raumumgebung distanzierter. Ein Repräsentationsporträt ist das der Tochter des Sanatoriumsbesitzers Loew keinesfalls, fast meint man als Betrachter einen Hauch ihres Parfums zu wittern, den Duft von Maiglöckchen oder Veilchen. Dokumentierte Klimt hier eine innige Vater-Tochter-Beziehung? Oder hatte die bezaubernde 19-Jährige, wie so viele andere, eine Affäre mit dem Künstler? Wer weiß. Als Gertrud im Februar 1903 (ihren Cousin) Hans Eisler von Terramare ehelichte, war sie hochschwanger. Ihre Tochter Gertrude kam keine vier Wochen später auf die Welt. Sie verstarb zweijährig, die Ehe zerbrach.

Die Hintergründe werden ein Geheimnis bleiben. Denn ihren Kindern aus ihrer zweiten Ehe mit Elemér Baruch von Felsöványi sollte Gertrud nie etwas darüber erzählen. Mit der Flucht vor dem Naziregime hatte sie solch unbedeutende Kapitel hinter sich gelassen.

Stattliche Zahl von Verehrern

Am 24. Juni könnte ihr Konterfei allein über den vergleichsweise moderaten Schätzwert (16,57- 24,85 Mio. Euro) eine stattliche Zahl von Verehrern bezaubern. Klimt-Experten attestieren dem als Lot-Nummer 26 aufgerufenen Gemälde ein monetäres Potenzial von 35 bis 55 Millionen Euro.

Nicht nur aus österreichischer Perspektive dürfte die Performance des davor gereihten Werkes von Interesse sein: Erika Giovanna Kliens Lokomotive aus der Sammlung Pabst, eine Ikone des Wiener Kinetismus, die in der rhythmisierten Gliederung synonym für das zentrale Thema der Bewegung steht. Das Gemälde gastierte mehrfach als Leihgabe bei Ausstellungen und soll entsprechend der Taxe zumindest 700.00, wenn nicht 980.000 Euro einspielen. Jeder Zuschlag in dieser preislichen Spanne wäre automatisch ein Künstlerweltrekord und würde den bisherigen von 104.000 Euro (Dorotheum 2001: Tänzerin, 1923) deutlich übertreffen.

Es sind dies, abgesehen von den kunsthistorisch irrelevanten Schiele-Zeichnungen, die Kontrahent Christie's (23. 6.) an den Start schickt, Repräsentanten österreichischer Kunstgeschichte, die zu den Höhepunkten der in London anberaumten Abendauktionen (Impressionist & Modern Art) gehören, für die Sotheby's bis zu 203 und Christie's um die 88 Millionen Pfund erwarten. (kron, 13.6.2015)