Dominique Strauss-Kahn ist von jeder Schuld freigesprochen. Nach der Sexaffäre mit einer New Yorker Hotelangestellten und mit einer Pariser Journalistin endet auch die Anklage der Zuhälterei gegen den früheren Chef des Internationalen Währungsfonds ohne Verurteilung. Bemerkenswert: Alle drei Affären, die "DSK" hinderten, Staatspräsident Frankreichs zu werden, haben sich in Luft aufgelöst. Ist er ein Justizopfer?

Eher zeigen sich die Grenzen der langsamen Justiz gerade in solch mediatisierten und hochpolitischen Belangen. Strauss-Kahn wurde und wird auch ein Charakterdefizit vorgehalten. In der Sofitel-Affäre räumte er selbst einen "moralischen Fehler" ein. Die "sexuelle Aggression" gegen die Journalistin wurde vom Gericht, obschon verjährt, unüblicherweise "anerkannt". Obwohl der Zuhälterei-Tatbestand platzte, ist unbestritten, dass der "DSK-Männerverein" geschwächte Prostituierte brutalisierte.

Fürs Erste scheint der Sozialist die Unmöglichkeit eines politischen Comebacks selbst eingesehen zu haben. Oder hofft er - angesichts der frappanten Mittelmäßigkeit der Pariser Präsidentschaftskandidaten - insgeheim vielleicht doch darauf, von einer Grundwelle in den Élysée-Palast getragen zu werden? Sosehr sich die Franzosen nach einem "homme de Providence", einem Vaterlandsretter, sehnen, so wenig denken sie dabei heute an "DSK". Anders vielleicht, wenn die Wirtschaftskrise schlimmer wird. (Stefan Brändle, 12.6.2015)