Rechtspopulismus gibt in Österreich die Themen vor, analysiert Medienwissenschaftlerin Ulli Weish.

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Politik und Medien sind aufeinander angewiesen. Aber in Punkto Frauenpolitik verweigern die Medien oft ihren Teil der Arbeit. So könnte man die Sichtweise der frauenbewegten Aktivistinnen zum Thema "Frauenpolitik in den Medien" zusammenfassen. Am Dienstagabend bekamen sie bei der Diskussion "Das große Schweigen – Frauenpolitik in den Medien" die Gelegenheit, ihren Frust bei den Verantwortlichen abzuladen: bei Fritz Dittlbacher vom ORF, Rainer Nowak von der Presse und Alexander Millecker, Chefredakteur von ATV.

Auf Seite der Frauen diskutierten Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, die Medienwissenschafterin Ulli Weish und Moderatorin Sonja Ablinger, die neue Obfrau des österreichischen Frauenrings.

Frauenpolitik in Medien immer weniger vertreten

Vor der Diskussion erläuterte Maria Pernegger von der Agentur media:affairs die Hauptergebnisse ihrer Studie zur Frauenpolitikpräsenz. Das besorgniserregende Ergebnis: Frauenpolitik kam 2014 in den größten Printmedien noch viel seltener vor als in den Jahren davor; und wenn, dann nur mit sogenannten Aufregerthemen wie Frauenquoten in Parteien, Binnen-I und Töchter-Debatte.

Fragt man bei den Beteiligten dieses Politikfeldes nach, dann ist niemand mit dieser Situation zufrieden. Weder die Frauenaktivistinnen, die eigentlich lieber strukturelles thematisieren würden, noch die Medien, die die erwähnten Fragen in ihrer Berichterstattung besonders gern zum "Unthema" erklärten. Berichtet wurde freilich trotzdem.

Einsichtiger ORF

Fritz Dittlbacher vom ORF gab immerhin zu, dass sein Sender in diesem Jahr tatsächlich wenig über Frauenpolitik berichtete. Er spielte aber sogleich den Ball an die Frauenpolitik-Szene zurück. Sie hätte ja auch besonders wenig kommuniziert, meinte der Chefredakteur mit Blick auf OTS- und APA-Verteiler. Dass der ÖVP-Mandatar Marcus Franz gleich zweimal beim Polit-Talk "Im Zentrum" eingeladen war, weil er die Debatte zur Verschärfung des Sexualstrafrechtsparagraphen mit seinem Tweet "Ob der Popsch hält, was der Blick verspricht" bereicherte, rechtfertigte er mit der Sorge des ORF, eine ausgewogene Diskussion zeigen zu wollen.

Nowak: "Wehleidige Frauenszene"

Rainer Nowak von der "Presse" sah die Verantwortung der Medien dann doch um einiges größer und gab zu bedenken, dass Medien "nicht jede Debatte führen müssen". Allerdings bestand auch er darauf, weiterhin antifeministische Kommentare zu drucken, um "das gesamte Meinungsspektrum abzudecken". Seitens der Frauenbewegung ortete er "Wehleidigkeit, wenn sie den Gegenwind der durch sie herbeigeführten Veränderung nicht ertragen könnten".

Weish: Rechtspopulistischer Boulevard gibt Themen vor

Die Medienwissenschafterin Ulli Weish kritisierte, dass sich österreichische Medien zu stark am rechtspopulistischen Boulevard orientierten. Der viel zitierte News-Wert von Beiträgen würde verhindern, dass über komplexe, historische, prominenzfreie oder auch erwartbare Themen berichtet werden könne.

Heinisch-Hosek: Viele Themen werden nicht aufgegriffen

Gabriele Heinisch-Hosek gab zu bedenken, dass nur ein Bruchteil ihrer Arbeit als Frauenministerin von den Medien aufgegriffen würde. Sie höre von Seiten der Medien aber auch in der eigenen PR-Abteilung immer wieder, ihre Themen seien "keine Geschichte".

ATV-Newschef Alexander Millecker konterte mit der Beobachtung, dass die PR-Planung der Frauenministerin nicht optimal laufe. "An einem Tag mit dieser Nachrichtenlage (Steuerreform, Asylrecht, Anm.) zu verkünden, dass man sich beim Sexualstrafrecht durchgesetzt hat, ist nicht sehr geschickt. Natürlich wird die Meldung untergehen", argumentierte Millecker.

Publikum: "News Wert" ist überholt

Bei der anschließenden Publikumsdiskussion wurden die anwesenden Medien-Macher von den Anwesenden mit Tipps geradezu überhäuft. Ingrid Moritz von der AK-Frauenabteilung forderte die Herren auf, den News Wert als einzige Richtschnur zu hinterfragen und Geschichten zuzulassen, in der sich die Mehrheit der Frauen wiederfinden könnten. Abz Austria Chefin Manuela Vollmann wies darauf hin, dass das "Krokodil-Konzept" (die Platzierung eines alten, reaktionären Mannes in Talkshows) von gestern sei, "das bringt auch niemanden weiter", erklärte sie in Richtung ORF.

Mehrere Aktivistinnen forderten, soziale Themen wie Armut oder auch Ausbeutung ohne klischeehafte Opferbilder zu präsentieren. "Viele Betroffene leiden nicht nur, sondern wissen auch, wie sie aus dieser Situation herauskommen können", argumentierte die Alleinerziehende-Aktivistin Maria Stern.

Abschließend forderte die Frauenministerin die Medien auf, die große Menge an frauenpolitischer Berichterstattung rund um den Frauentag doch einfach über das Jahr zu verteilen. "Das würde uns schon ein Stück weiterbringen", meinte Heinisch-Hosek optimistisch. (Ina Freudenschuß, 17.6.2015)