Michael Göls, Geschäftsführer von Havas Media Austria, juriert heuer die Kategorie Media in Cannes.

Foto: Anna Stöcher

Wien – Am Sonntag beginnt sie wieder, die Löwenjagd an der Côte d'Azur: Elf Trophäen, eine davon in Gold, haben Österreichs Agenturen 2014 beim Werbefestival in Cannes gewonnen. Die Vorzeichen, die Rekordausbeute zu verteidigen, stehen heuer schlecht. Nach 185 Einreichungen im Vorjahr gehen nur 112 Arbeiten aus Österreich ins Rennen um die Löwen in Gold, Silber und Bronze. Vergeben werden sie in 17 Kategorien.

Neben Renommee geht es um Geld – viel Geld. Über 40.000 Einreichungen konnten die Veranstalter verbuchen. Bei Gebühren von 530 bis 1375 Euro pro Arbeit floriert das Geschäft. Österreich ist heuer mit drei Juroren vertreten. Michael Göls, CEO von Havas Media Austria, beurteilt Arbeiten in der Kategorie Media.

STANDARD: Die Einreichungen aus Österreich bei den Werbe-Weltmeisterschaften in Cannes gingen heuer deutlich zurück – von 185 auf 110 (plus 2): Haben Sie eine Erklärung dafür?

Göls: Ich sehe das als Einschätzung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage seitens der Agenturen, die sich erst jetzt im Alltagsgeschäft auswirkt. Die Agenturen und Unternehmer agieren vorsichtig, die Bedeutung des Cannes-Festivals ist dadurch nicht geschmälert. Außerdem waren Österreichs 185 Einreichungen im Jahr 2014 eine sehr hohe Zahl.

STANDARD: Die Werbebranche hat in Europa, wie die Konjunktur insgesamt, schon einmal etwas munterer geschnurrt. Wozu führen sparsamere Auftraggeber – werden Agenturen kreativer oder vorsichtiger?

Göls: Das ist auch kundenabhängig. Es gibt Kunden, die Kreativität nicht nur zulassen, sondern sie geradezu stärker einfordern, um bei ihren Zielgruppen optimal wahrgenommen zu werden, eventuell auch mit geringeren Budgets. Aber natürlich gibt es auch Kunden, die eher vorsichtig agieren und "auf der sicheren Seite" sein wollen. Beide Strategien gibt es sowohl bei nationalen, wie auch internationalen Etats.

Ich will uns als Kommunikationsbranche aber da nicht aus der Pflicht nehmen – kreative Ideen sind so etwas wie die Kür und auf lange Sicht auch mit ein Grund für unseren eigenen Geschäftserfolg. An kreativen Lösungen muss meiner Meinung nach also jeder einzelne von uns täglich arbeiten.

STANDARD: Digitale Medien vermitteln: Sie können rundum messen, wie und wann und wo und womit Werbung wirkt. Was tut das mit Werbung? Und: Stimmt das für Sie?

Göls: Werbebudgets sinken, große, allumfassende Werbung auf wenigen Kanälen, mit der man alle Zielgruppen erreicht, gehören zunehmend der Vergangenheit an. Die Herausforderung für Werbung ist, für eine schmälere, aber sehr genau festgelegte Zielgruppe, die ideale Ansprache zu finden. Diese kann mitunter auch extrem lustig, extrem polarisierend, extrem berührend, etc. sein – zumindest für diese Zielgruppe, während sie für andere Menschen gar nicht relevant ist. Als Mediabranche müssen wir genau jene Kanäle definieren, wo diese Zielgruppen zu erreichen sind. Insgesamt also eine faszinierende Herausforderung für uns alle.

STANDARD: Sie jurieren beim wichtigsten Werbefestival – oder jedenfalls einem der wichtigsten: Was ist eigentlich kreativ für Sie?

Göls: Kreativ heißt für mich, erstmals und auf neue Art und Weise mit einer Zielgruppe zu kommunizieren. Am besten so, dass sich hinterher alle Kreativen denken: "Das ist so logisch, selbstverständlich und stimmig – wieso ist mir das nicht selber schon früher eingefallen?" Durch immer wieder neue kreative Ideen und auch mediale Möglichkeiten entsteht eine Bewegung in unserer Branche, die Kreativität quasi automatisch immer wieder weiterentwickelt und so geniale Kampagnen entstehen lässt.

STANDARD: Haben Sie die Einreichungen aus Österreich schon durchgeschaut und womöglich mit den Cannes-Siegern der letzten Jahre verglichen? Sehen Sie realistische Löwen-Chancen?

Göls: Die meisten Arbeiten aus Österreich kenne ich durch die tägliche Arbeit. Wie die Chancen der Österreicher liegen, werden wir sehen, wenn wir sie in der Jury mit den anderen internationalen Arbeiten vergleichen. Ich denke durchaus, dass es immer wieder realistische Chancen auf Löwen aus Österreich gibt. Und ich wünsche jeder einzelnen heimischen Agentur den Erfolg in Cannes – das ist wichtig für unseren Standort, die Weiterentwicklung unserer Branche und das Vertrauen unserer Kunden in unsere Arbeit hier in Österreich.

STANDARD: Sie jurieren in der Kategorie Media, eine der stärksten bei österreichischen Einreichungen. Haben schon die lieben Branchenkollegen angerufen und um Unterstützung in der Jury gebeten?

Göls: Nein, aber natürlich ist es ein kleiner Vorteil, als Land einen Juror in der Jury zu haben. Manche Kampagnen erklären sich nicht von selbst, und da kann man zumindest klärend mitwirken. Damit allein gewinnt man keinen Löwen, aber natürlich bin ich auch Vertreter Österreichs und werde mein Land – mit Maß und Ziel – so gut wie möglich unterstützen, so wie das jeder Juror für sein Land macht.

STANDARD: Was macht für Sie eine Löwen-würdige Arbeit in der Kategorie Media aus?

Göls: Es zählt alleine die Idee. Eine einzigartige, neue, zentrale Idee, die deklinierbar ist in allen Kanälen, das sind beeindruckende Kampagnen. Ich erwarte mir Ideen, welche die Menschen berühren. Ideen, die unsere Branche weiterbringen. Ideen, die neue Lösungsansätze zeigen. Ideen, die zukunftsweisend sind. Und natürlich auch Kampagnen, die in ihren Märkten erfolgreich funktionieren und mit ihrem Mitteleinsatz zu einem positiven Return on Investment für ihre Kunden führen. Der Erfolg unserer Kunden ist schließlich ja auch unser Erfolg. (Harald Fidler, 19.6.2015)