London/Wien – Eine Auswertung des auf Daten aus dem EU-Emissionshandel spezialisierten Londoner Beratungsunternehmen Carbon Market Data zeigt, dass 2014 die europaweite Zuteilung für Emissionszertifikate für das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) an die großen Konzerne in der EU massive Schieflagen aufweist. Während Stromkonzerne die Zertifikate kaum mehr gratis bekommen, werden andere Branchen noch immer subventioniert.

Die EU-weit größten Emittenten sind Energieversorger in Deutschland, die allerdings kaum mehr Gratiszertifikate bekommen (siehe Tabelle). Hier sind es die großen Braunkohlekraftwerke, die zu Buche schlagen. Die Kraftwerke in Neurath und Niederaußem des Energiekonzern RWE und die von Vattenfall betriebenen Kraftwerke Jänschwalde und Boxber benötigen viele "Verschmutzungsrechte", wie die Emissionserlaubnisse auch salopp genannt werden.

Schmuddelkind Polen

Die allermeisten CO2-Emissionen an einem Platz steigen aber vom polnischen Kraftwerk Belchatów aus auf. Zur Empörung der Branche in Westeuropa, denn polnische wie überhaupt osteuropäische Kohlekraftwerke erhalten weiterhin Gratiszertifikate. Dadurch, so die Kritik, wird es modernen, energieeffizienten Kraftwerken besonders schwergemacht und große Verschmutzer im Gegenzug subventioniert.

Einer ähnlichen Konkurrenz sieht sich die Voest ausgesetzt, die sich als einziger Nettozahler innerhalb der europäischen Stahlbranche bezeichnet. Nettozahler, das heißt: Der Konzern muss massiv Zertifikate zukaufen, da mehr produziert und damit mehr Energie verbraucht wird. Je nach Entwicklung der derzeit niedrigen CO2-Preise rechnet die Voest für 2013 bis 2020 mit Mehrkosten von bis zu 800 Millionen Euro.

Kein Investitionsanreiz

Vor allem der italienische Stahlkonzern Riva bekommt viel geschenkt. Da sich die Gratiszuteilung an den historischen Produktionsdaten der Jahre 2007/08 orientiert, sind jene bevorzugt, die heute weniger produzieren als damals. Bei Riva mit den Umweltskandalen beim süditalienischen Stahlwerk Tarento ist die Gratiszuteilung doppelt so hoch wie die aktuellen Emissionen von 2014.

Solche "Überallokationen" sind der Grund, weshalb der Preis für die CO2-Zertifikate bei sieben Euro je Tonne liegt – weit davon entfernt, einen Anreiz für klimaschonende Investitionen darzustellen. Bei der Chemieindustrie, einer Branche, die erst 2013 zum Emissionshandelssystem dazu stieß, halten sich Gratiszuteilungen und CO2-Ausstoß in etwa die Waage. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, 23.6.2015)