V.l.n.r.: Lukas Grossebner, Franz Merlicek, Johannes Newrkla, Peter Mayer und Rosa Haider-Merlicek, vereint in Merlicek & Grossebner.

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Das Türschild wurde schon montiert: Merlicek & Grossebner in der Kirchengasse 3 im 7. Bezirk in Wien.

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Wien – Was sich unter dem Dach der Agentur Bluetango in der Kirchengasse 3 im 7. Wiener Gemeindebezirk eingenistet hat, könnte auch unter dem Namen Kreativphalanx firmieren. Tatsächlich heißt die neue Agentur Merlicek & Grossebner. Als Gesellschafter an Bord sind Franz Merlicek, Lukas Grossebner, Johannes Newrkla und Peter Mayer. Rosa Haider-Merlicek steigt offiziell erst im Jänner ein. Vier der fünf Werber verbindet eine "Demner, Merlicek & Bergmann"-Vergangenheit. Was sie gegenwärtig mit ihrer neuen Agentur vorhaben, erzählen sie im Interview.

STANDARD: Hat Ihnen Herr Demner schon zur neuen Agentur gratuliert?

Haider-Merlicek: Wir warten noch auf ein Abschiedsgeschenk (lacht). Wir freuen uns so über die neue Agentur, dass wir gar nicht mehr zurückdenken wollen und nichts Negatives sagen möchten.

STANDARD: Auf welches Abschiedsgeschenk?

Merlicek: Wir haben erfahren, dass sich die Agentur in der Lehargasse diverse Domains gesichert hat, die mit dem Namen Merlicek zu tun haben, eine Reihe von Domains. Als das an die Öffentlichkeit gelangte und sie gemerkt haben, dass es kein gutes Bild macht, hat Demner gesagt, es wäre ein Überraschungsgeschenk für Franz Merlicek gewesen. So viel zum Punkt Geschenke.

Grossebener: Wir warten immer noch darauf. Alles ist gut, wir heißen eh Merlicek & Grossebner. Damit hat er nicht gerechnet.

STANDARD: Wie ist diese Agenturkonstellation zustande gekommen?

Merlicek: Bis auf Peter Mayer waren wir alle in einer Agentur, die – jetzt immer noch – Demner, Merlicek & Bergmann heißt. Durch Ereignisse in den letzten Jahren haben wir die Agentur verlassen, der eine freiwillig, die andere unfreiwillig. Was ich zurückgelassen habe, ist mein Name, der dort nur mehr ein leere Hülse ist. Mein Slogan lautet jetzt: "Nicht überall, wo Merlicek draufsteht, ist Merlicek drin." Lukas Grossebner hat sich gemeldet und wollte sich mit uns zusammentun. Ich kannte ihn von seiner Station bei Demner, Merlicek & Bergmann. Danach war er sehr verhaltensauffällig, weil er gute Arbeit geleistet und viele Preise gewonnen hat. Ich wollte auch nie allein weiterarbeiten.

STANDARD: Wie ist Johannes Newrkla dazugekommen?

Merlicek: Ich kenne und schätze ihn schon lange. Mit seiner Agentur Bluetango hat er zuletzt auch viel mit Freelancern gearbeitet, dadurch war Bürofläche frei. Dann haben wir uns gedacht, wir sollten uns hier nicht nur einmieten, sondern auch mit ihm zusammengehen. Zum richtigen Zeitpunkt haben sich die richtigen Leute getroffen. Jeder kann etwas besonders gut, wir ergänzen uns und können unseren Kunden ein weites Spektrum bieten.

STANDARD: Mit welchen Kunden starten Sie?

Merlicek: Das ist heikel. Wir haben viele Jahre für Kunden gearbeitet. Mit meinem ältesten Kunden habe ich 35 Jahre zusammengearbeitet. Persönliche Beziehungen haben sich gebildet. Es sind nicht nur Kunden, die mit uns sprechen, sondern eben auch Freunde und Bekannte. Wir wollen es nicht an die große Glocke hängen.

STANDARD: Weil es "Demner, Merlicek & Bergmann"-Kunden sind?

Merlicek: Es ist nicht unser Ziel, Kunden von dort abzuziehen, sondern aufgrund unseres Könnens möchten wir neue gewinnen. Es gibt Verträge und Bindungen, aber wenn jemand unbedingt möchte, dann geht es schon irgendwie, aber wenn jemand nicht will, sind wir auch nicht böse.

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STANDARD: Wie viele Kunden haben Sie schon?

Haider-Merlicek: Wir starten mit zwölf Kunden, nicht eingerechnet sind kleine Charity-Kunden. Wir wussten nicht, dass wir so interessant sind, aber seitdem die Agenturgründung publik wurde, geht es rund. Viele fragen sich: "Was machen die Merliceks?". Mein Mann hat lange nichts gesagt, weil er in einem Dienstverhältnis war. Bevor wir uns gefunden haben, standen viele Optionen im Raum. Es war gar nicht sicher, dass wir überhaupt weitermachen. Ich war ja von einer Stunde auf die andere abgekoppelt von allen Mails und Kontakten. Alles war gesperrt. Lukas Grossebner hat sich dann auf Facebook gemeldet und geschrieben: "Rosa, wir müssen reden."

STANDARD: Über eine eigene Agentur?

Grossebener: Peter Mayer und ich haben lange in Wien für DDB gearbeitet. Wir hatten, wie das so ist in Netzwerkagenturen, den Auftrag, Österreichs kreativ erfolgreichste Agentur zu werden. Das haben wir geschafft. Wir sind dann im Winter zu Heimat Berlin gegangen, wo wir für den Kunden Hornbach gearbeitet haben. Es war aber der Wunsch da, etwas Eigenes zu machen. Die Merliceks stehen für große Marken. Rosa und Franz haben zusammen 17 Jahre Vöslauer betreut, zehn Jahre "Ja! Natürlich", der Franz 27 Jahre Darbo.

Die Werbelinie von Lutz hat Rosa seinerzeit gemeinsam mit Jani entwickelt und seit 2001 allein betreut. Jani Newrkla hat übrigens auch zehn Jahre lang die Marke Kika aufgebaut, 18 Jahre Mazda in mehreren Ländern verantwortet, zehn Jahre Mobilkom Austria – Erfahrung. Er berät die Universität Wien, die St. Martins Therme&Lodge oder Attensam. Diese Erfahrung wollen wir Kunden bieten. Wir erzählen die gleiche Geschichte, aber auf einem erweiterten Spielfeld.

STANDARD: Wie sieht das Spielfeld aus?

Grossebner: Junge Leute wollen diesen Job nicht mehr ausüben. Man merkt, dass es die Generation 25 abwärts nicht mehr machen möchte. Um Leute zu bewegen, gerne hierherzukommen, brauchen wir eine neue Art von Arbeitsplätzen.

STANDARD: Warum fehlt der Nachwuchs? Aufgrund prekärer Beschäftigungsverhältnisse in der Branche?

Grossebner: Nein, nicht unbedingt, auch wenn es am Anfang absurd ist, was du investieren musst. Arbeitstage von 18 oder 19 Stunden sind keine Einzelfälle.

Mayer: Junge Leute setzen sich heute nicht mehr in die großen Agenturen. Sie wollen frei arbeiten und vor allem Spaß an den Projekten haben, an denen sie sich beteiligen. Man braucht den großen Apparat nicht mehr, um gute Arbeit zu machen. Im Gegenteil, der steht dir sogar selbst oft im Weg. Man braucht ein unkompliziertes Umfeld, um gemeinsames Arbeiten möglich zu machen.

Grossebner: Bei großen Agenturen müssen so viele Abstriche gemacht werden. Menschen sind dabei, die keine große Lust auf diesen Job haben. Wir wollen das anders machen – mit externen Partnern. Ein moderner Zugang mit sehr viel Erfahrung. Früher hast du eine Anzeige in der "Kronen Zeitung" abgedruckt und gewusst: Ich erreiche so und so viele Leute. Heute kannst du ein Facebook-Posting machen. Das kostet nichts in der Produktion. Ist es gut, teilen es eine Million Menschen. Das ist der Unterschied zwischen Werbung, die oktroyiert wird, und Werbung, mit der sich Menschen beschäftigen. Für Marken wollen wir unterschiedliche Wege aufzeigen.

STANDARD: Sie positionieren sich als Full-Service-Agentur, oder?

Haider-Merlicek: Ja, denn man kann nur für unterschiedliche Zielgruppen denken. Ein Teil der Jungen hat keinen Fernseher mehr, sondern verwendet Streamingdienste wie Netflix. Wie erreicht man die? Über TV-Spots wird es schwierig.

Grossebner: Ich bin sehr demütig geworden. Als junger Mensch denkt man, ich kann alles besser, dann sitzt man mit Leuten zusammen, die 27 Jahre eine Marke geführt haben. Marken, die die österreichische Werbelandschaft geprägt haben. Hier hoffen wir auf gegenseitige Befruchtung.

Newrkla: Es gibt große Umbrüche in der Kommunikation. Wir erleben zum Beispiel einen Shift von Paid Content zu Earned Content. Als neue Full-Service-Agentur sind wir hier gut aufgestellt.

Haider-Merlicek: Man muss diesen Dialog im Dunstkreis einer Marke führen, diese Interaktionen. Das geht so weit, dass Mitarbeiter im Unternehmen Marken auch kommunizieren müssen. Die gesamte Firma muss dahinterstehen und eingeschult werden, wie man interessante Geschichten rund um die Marke findet – für diverse Plattformen. Als Werbeagentur hat man die Aufgabe, das ganze Unternehmen auf den Markenkern einzuschwören und alle Mitarbeiter – bis hin zu Architekten und Lieferanten – für die Idee zu begeistern. Nur dann entsteht eine integrierte Kampagne rund um einen starken Markenkern.

Allerdings braucht es auf Agenturseite einen Mastermind, der eine stringente Markenführung betreibt, weil sonst alles aus dem Ruder läuft. Dazu haben diese vielen neuen Plattformen und Medienkanäle geführt. Das geht so weit, dass eine Agentur die Klassik macht, eine andere die digitalen Kampagnen betreut. Dann gibt es Eifersüchteleien und Animositäten zwischen den Agenturen. Was leidet, ist die Marke. Wir verkörpern alles und sind bestens vernetzt. Kaum hatten wir unser Türschild montiert, sind schon 44 Bewerbungen über Facebook eingetrudelt.

STANDARD: Die werden Sie nicht alle nehmen. Wie groß ist die Agentur – abgesehen von den fünf Initiatoren, die hier sitzen?

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Grossebner: Wir sind derzeit zehn Mitarbeiter – mit noch drei Beratern, einem Designer und einem Grafiker.

Haider-Merlicek: Wir wollen unsere Agentur nicht aufblasen, keine große Agentur werden. Vielleicht werden wir irgendwann wie bei "Mad Men" eine Stiege in ein oberes Stockwerk bauen, aber wir wollen für jedes Unternehmen die besten Partner finden. So wollen wir arbeiten, das war bei der letzten Agentur nicht mehr möglich. Wir haben uns hier nicht nur eingemietet, sondern sind Partner. Jani Newrkla hat nicht nur bewiesen, dass er ein guter Stratege ist, sondern auch ein guter Geschäftsmann.

STANDARD: Wann steigen Sie, Rosa, voll in das Geschäft ein?

Haider-Merlicek: Ich befinde mich noch in einem Rechtsstreit mit meiner ehemaligen Agentur, deshalb nehme ich mir noch eine Auszeit bis Ende des Jahres, um das abschließen zu können. Wir möchten eine Agentur der Zukunft sein, deswegen auch der Verbund mit den jungen Leuten. Wir sind die einzige Agentur, deren Gesellschafter schon vom Start weg drei Generationen vereinen. Wir sind es gewohnt, Kunden über Jahrzehnte zu betreuen. Um eine große Marke zu schaffen, braucht es Kontinuität. Mit unseren jungen Partnern sind wir sehr gut aufgestellt.

STANDARD: Rechnen Sie damit, dass der Rechtsstreit mit Demner, Merlicek & Bergmann bis Ende Jänner gelöst ist?

Haider-Merlicek: Ja. Ich habe die fristlose Entlassung angefochten, möchte aber nicht ins Detail gehen, weil es ein laufendes Verfahren ist. Wir sind aber zuversichtlich, weil es aus unserer Sicht ungerechtfertigt war.

STANDARD: Sie stehen noch mit Ihrem Namen für Demner, Merlicek & Bergmann. Wie fühlt sich das an?

Merlicek: Für uns ist das kein Problem, finde ich, sondern für die Agentur, bei der der Name nur mehr als leere Hülse auf dem Türschild steht. Ich verstehe es nicht.

STANDARD: Das könnte auch als Würdigung ihrer jahrelangen Arbeit für die Agentur interpretiert werden.

Merlicek: Nein, eine Würdigung wäre es, wenn es auf dem Grabstein stehen würde, aber da der Namen hier weiterlebt, halte ich es für kontraproduktiv.

Haider-Merlicek: Wenn man sich gleichzeitig die Domain sichert, kann das keine Würdigung sein. Also eher eine Unglaubwürdigung.

Newrkla: Nachdem es jetzt eine Agentur mit Merlicek gibt, macht das für Demner auf Dauer keinen Sinn.

STANDARD: Rechtlich gibt es keine Handhabe dagegen?

Haider-Merlicek: Das müsste von den Anwälten geprüft werden. (Oliver Mark, 24.6.2015)