Mit denen nicht – diese Worte des Wiener SP-Bürgermeisters Michael Häupl in Sachen Koalition mit der FPÖ haben an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig gelassen. Endlich! Nach Wochen des Herumeierns und Herumredens und der Beschwörungen, "die Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen", hat der meist grantige Rathauschef einen Befreiungsschlag gewagt und seiner Partei inklusive deren Vorsitzendem gezeigt, dass zumindest in der traditionsreichen Hauptstadtpartei noch so etwas wie ein sozialdemokratischer Kern vorhanden ist.

Es gab Standing Ovations, aber es gab unter den siebenhundert Funktionären, die ihrem Stadtparteichef lauschten, auch etliche, die demonstrativ die Hände in den Schoss legten. Und in den Bundesländern werden wohl nicht wenige FPÖ-affine SPÖler entsetzt gewesen sein. Ist die größte Partei des Landes gespalten zwischen Ausländerfeinden und Ausländerfreunden? Rot-blauer Schulterschluss im Burgenland und rot-blauer Entscheidungskampf in Wien? Und geht diese Spaltung, wenn auch weniger ausgeprägt, nicht auch durch die ÖVP, ja durch die ganze österreichische Gesellschaft?

Die jüngste Flüchtlingswelle hat tatsächlich viele Ängste und Sorgen unter den Menschen ausgelöst, teilweise durchaus berechtigte. Diese Sorgen ernstzunehmen ist okay, aber das heißt nicht, dass die Verantwortlichen auch alle Gemeinheiten schlucken müssen, die sich diese Sorgen zunutze machen. Nur ja nicht die FPÖ vergraulen, schien es im Vorfeld anstehender Landtagswahlen zu heißen. Man weiß ja nicht, ob man diese oder zumindest ihre potenziellen Wähler nicht noch brauchen wird. Also am besten nicht zu viel von den Problemen reden. Mit dem Resultat, dass FPÖ und Boulevard das umso nachhaltiger taten.

Dass es auch anders geht, hat die Zivilgesellschaft, voran die Hilfsorganisationen, zuletzt eindrucksvoll bewiesen. Wer ein wenig in Österreich herumgekommen ist, kann dafür zahllose Beispiele beibringen. Während das Innenministerium einen hilflosen Eindruck hinterließ, haben engagierte Bürger wieder und wieder auf eigene Faust Quartiere für Flüchtlinge aufgetrieben und bereitgestellt, auch in kleinen Gemeinden. Wo sich ein vernünftiger Pfarrer und ein vernünftiger Bürgermeister, ob SPÖ oder ÖVP, zusammentaten, konnten sie meist auch ihre Mitbürger überzeugen. Neudörfl ist kein Einzelfall. Und nicht selten fanden sich auch genügend Menschen, die Sachspenden brachten, sich um unbegleitete Jugendliche kümmerten, Deutschunterricht anboten. Die schweigende Mehrheit im Lande steht nicht für "Flüchtlinge raus", sondern für "Versuchen wir, mit der Situation halbwegs angemessen umzugehen".

Inzwischen hat allmählich auch die Regierung begriffen, dass sie in den großen Hilfsorganisationen, voran Caritas und Diakonie, nicht nur lästige Kritiker hat, sondern Partner, die sie dringend braucht. Michael Häupls Ansage hat hoffentlich auch die Politik aufgeweckt. Möglich, dass der Wiener SP-Chef damit einige Wähler verloren hat. Aber er hat sicher auch viele, die diesmal eigentlich resigniert zu Hause bleiben wollten, mobilisiert. Und mit Sicherheit gibt es auch zahlreiche ÖVP-Anhänger, die sich von ihrer Partei ähnlich klare Worte wünschen würden. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 24.6.2015)