Jörg Wojahn, neuer Leiter der EU-Kommissionsvertretung in Wien.

Foto: Europäische Union

Brüssel/Wien – Das Ärgerliche an guten Nachwuchsjournalisten ist, dass sie auch andere Talente haben – und dadurch alternative Berufsoptionen. Als der deutsche Jus-Student Jörg Wojahn 1996 als Praktikant erstmals zum STANDARD kam, entdeckte er seine Leidenschaft für den Journalismus. Für Österreich, wo er oft in die Berge ging, hatte der gebürtige Münchner schon lange eine Passion. Er schaute gerne ORF und lernte in der Familie seiner damaligen Tiroler Freundin auch die heftigen Debatten rund um den EU-Beitritt des Landes kennen.

Wojahn schloss noch sein Studium in Passau ab und absolvierte dort sein Referendariat, kehrte dann aber in die STANDARD-Redaktion zurück, wo er für die Außenpolitik und "Wirtschaft & Recht" schrieb. 2002 ging er als Korrespondent nach Brüssel und verfolgte fachkundig die Entwicklungen rund um den Euro und die europäische Verfassung. Eine glänzende journalistische Karriere schien vorgezeichnet.

"Eine Blitzkarriere"

Doch während der drei Jahre in der EU-Hauptstadt begann Wojahn diskret für den Concours zu lernen, die Voraussetzung für eine Laufbahn in der EU-Kommission. Wojahn bestand die schwierige Prüfung und wurde 2005 als Pressesprecher in die Antikorruptionsbehörde Olaf berufen, wo er Medienarbeit von der anderen Seite kennenlernte. "Ich verließ den Journalismus mit einem weinenden Auge, denn das war immer mein Traumberuf gewesen", sagt er nun. "Aber mein zweites Ideal war es, für die europäische Einigung zu arbeiten. Diese Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen."

2010 nahm Wojahn die nächste Herausforderung an: Er trat in den neu geschaffenen diplomatischen Dienst der EU ein und ging in die saudische Hauptstadt Riad, wo er seither für politische Beziehungen zu den Golfstaaten und Handelspolitik verantwortlich ist. "Eine Blitzkarriere" schrieb damals die Berliner "taz".

Innere Widersprüche lösen

Seine Berufung als Leiter der EU-Kommissionsvertretung in Wien ist für den heute 44-Jährigen eine halbe Heimkehr. Er folgt dem Österreicher Richard Kühnel, der schon im Vorjahr EU-Vertreter in Berlin wurde. Wojahn kommt mit seiner indischstämmigen Frau und zwei Töchtern nach Wien.

In Österreich für EU-Anliegen einzutreten ist einfach und schwierig zugleich, sagt Wojahn: "Es gibt hier viel mehr Europabewusstsein als in anderen Staaten, es ist Teil des täglichen Denkens. Aber gleichzeitig ist die EU-Skepsis sehr hoch. Das ist ein innerer Widerspruch." Den aufzulösen, braucht es viele Talente. (Eric Frey, 24.6.2015)