Wien – Bei einem Runden Tisch zum Thema "Bienenkrise als Chance" haben am Donnerstag Vertreter von Wissenschaft, Landwirtschaft, Pflanzenschutzmittelindustrie, Umweltschutz und der Imkerei über das Bienensterben diskutiert. Einig war man sich weitgehend, dass es sich um ein "multifaktorielles Phänomen" handeln würde, sagte Global-2000-Chemiker Helmut Burtscher nach dem Treffen mit über zehn Teilnehmern.

"Es ist nicht sinnvoll, bei einem so komplexen System einen Schuldigen auszumachen", räumte der Präsident der Europäischen Berufsimker, Walter Haefeker, in der abschließenden Pressekonferenz ein. Es sei aber wohl auch niemand unschuldig am Bienensterben und daher sei jeder für die Bienen verantwortlich. Sowohl die Imker und ihr Wissen über die Bekämpfung diverser Bienenschädlinge, wie auch die Landwirtschaft seien da gemeint – wobei es bei weitem nicht nur um Pestizide gehen würde, sagte Haefeker. Es gehe auch um Mähverluste, fehlende Nistmöglichkeiten sowie um Lebensraum und Blütenvielfalt für Wildbienen.

Es wird immer schwieriger, Verluste auszugleichen

Übereinstimmungen gab es bei den Gesprächen in vielen Punkten, etwa dass die Zahl der Bienenvölker in Österreich relativ konstant sei: Jedoch nur deswegen, weil die Imker die Verluste kompensieren. Etwas, das "Jahr für Jahr schwieriger wird", sagte Burtscher unter Hinweis auf die Winterverluste, die heuer je nach Bundesland zwischen 20 bis 50 Prozent betragen hätten. Die Wildbiene, die in der langjährigen Debatte zuletzt ebenfalls immer mehr zum Thema wurde, erfahre zudem eine Zurückdrängung – wodurch der Kompensationsdruck auf die Imker zusätzlich steige. Nicht zuletzt seien Bienen auch ein Faktor der Ernährungssicherheit.

Während die Honigbiene aufgrund der Anstrengungen der Imker zahlenmäßig relativ stabil bleibe, ist die Wildbiene auf dem Rückzug: "Auffällig sind die inzwischen größeren Stadtverluste", führte der Präsident der Europäischen Berufsimker an. Ursache sei die neue Begeisterung für die Bienenhaltung, die ohne das notwendige Wissen – etwa bei der Bekämpfung der Varroa-Milbe – erfolge: "Wer etwas tun will und damit beginnt, hat auch Verantwortung", kritisierte Haefeker. Er riet zu einer Alternative, nämlich Nistmöglichkeiten für Wildbienen zu schaffen.

Das Bienensterben wurde von den Diskutanten als "multifaktorielles Phänomen" bezeichnet. "Was die Gewichtung der Faktoren angeht, da gibt es bisher wenig belastbares Material", räumte Burtscher ein. Mehrere Projekte sollen das Bienensterben klären, so etwa das von Umweltminister Andrä Rupprechter im Vorjahr angekündigte Projekt "Zukunft Biene", das bis 2017 läuft, oder ein erste heute von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) angekündigtes Projekt, das sich ebenfalls den "multiplen Stressfaktoren" widmen wird.

Thema Gifteinsatz

Bei den EU-weit verbotenen Neonicotinoiden erneuerte der Obmann der IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP), Christian Stockmar, seine Aussage, dass diese Stoffe keinen Beitrag zum Bienensterben leisten würden. Dass es trotz Verbot weiterhin Verluste gibt, würde dies zeigen.

Bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gab es beim Runden Tisch keinen "idealen Konsens" über die Sicherheit, denn zwar war man sich über die hohen Anforderungen einige, jedoch vermisste ein Teil der Teilnehmer etwa das fehlende Einfließen der subletalen Effekte bei der Bewertung des Risikos. Hier geht es um Effekte, die zu physiologischen Beeinträchtigungen, Störungen bei der Nahrungssuche und neurotoxischen Auswirkungen auf die Lernfähigkeit führen können. (APA/red, 25.6. 2015)