Es sind wahrhaft dramatische Tage, die die Europäische Union und vor allem die Menschen in Griechenland diese Woche erleben: Streit, Unsicherheit, Existenzängste, Ärger, Vertrauensverlust in alle Richtungen, Frust zum Quadrat. Und es ist eine ganz tiefe Krise auch der Gemeinschaft, die an ihre Fundamente geht: politisch, wirtschaftlich, menschlich.

Das zeigt sich an den äußeren Umständen. Der Verhandlungsmarathon um eine Lösung für die griechische Schuldenkrise, zur Abwendung eines Zusammenbruchs des Staates, könnte noch bis Samstag, sogar Sonntag, weitergehen. Fünf Eurogruppentreffen der Finanzminister in Serie, dazu drei Gipfel der Staats- und Regierungschefs, mehr als eine Woche durchverhandeln – das gab's noch nie.

Umso wichtiger wäre es jetzt, dass alle Beteiligten kühlen Kopf bewahren, wie man so schön sagt. Genau das brauchen die europäischen politischen Anführer jetzt: ihren Kopf, damit sie am Ende vernünftige Kompromisse finden.

Überschießende Gefühle, Ressentiments gegen andere, wie das die politischen Scharfmacher da und dort bereits forcieren, sind fehl am Platz, auch bei uns Bürgern, die betroffen zuschauen. Europa hat immer davon gelebt, dass bei diesen ewig langen EU-Sitzungen am Ende keiner als Besiegter vom Platz geht; dass die exakten Positionen und Forderungen etwas verwässert werden. Das ist die Aufgabe von Regierungschefs. Die sind jetzt am Zug. (Thomas Mayer, 25.6.2015)