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Vier Klimt-Zeichnungen aus der Sammlung Loew-Felsövanyi zierten 2012 die Eröffnungsausstellung des Gustav-Klimt-Zentrums.

Foto: Picturedesk/Pernkopf

In der Zeitschrift "Dekorative Kunst" war 1904 ein umfangreicher Artikel zur Wohnungsausstattung von Kolo Moser für die frisch verheiratete Gertrude Loew (erste Ehe mit Johann Eisler von Terramare) erschienen. In einer Detailaufnahme sind zwei (der sechs) Klimt-Zeichnungen erkennbar.

Foto: mak, dekorative kunst, repro

Als Peter Weinhäupl gestern im "Gustav-Klimt-Zentrum" (GKZ) die diesjährige Sommerausstellung eröffnete, tat er das laut Einladung nicht in seiner Funktion als Vorstand der Klimt-Foundation und damit als neuer GKZ-Betreiber (seit 1. April 2015), sondern – letztmalig – als scheidender "Dir. Leopold-Museum-Privatstiftung".

Seit der Eröffnung 2012 entsandte das Leopold-Museum, das in dieses "neue Schaufenster" fachliche wie personelle Ressourcen investiert hatte, jährlich ein von der Umgebung inspiriertes Landschaftsbild Klimts zur Sommerfrische an den Attersee. Heuer muss man auf Einnahmen aus der Leihgebühr von rund 10.000 Euro verzichten. Denn aktuell gastiert dort (bis 2. 8.) das Gemälde Die Schwestern (Freundinnen I) von 1907, aus dem Bestand der im Herbst 2013 von Ursula Ucicky gegründeten Foundation.

In diese Privatstiftung hatte die Witwe des 1961 verstorbenen NS-Propagandafilmregisseurs Gustav Ucicky ein Vermögen in zweistelliger Millionenhöhe sowie 14 Klimt-Werke eingebracht, die teils eine problematische Provenienzgeschichte aufwiesen. Einige davon waren, wie sich Monate später herausstellen sollte, inkognito – da noch im Privatbesitz Ursula Ucickys – bereits im Zuge der GKZ-Eröffnungsschau gezeigt worden. Konkret ein Quartett von Zeichnungen, die sowohl die Entstehungszeit um 1897/98 als auch die Provenienz eint.

Die schönen Wienerinnen

Um deren Erforschung hatten sich Weinhäupl und seine Lebensgefährtin Sandra Tretter – damals LM-Kuratorin, mittlerweile Geschäftsführerin der Foundation und des Klimt-Zentrums – als Ausstellungskuratoren gar nicht erst bemüht. Die stark vergilbten Werke waren, wie Standard-Recherchen belegten, ebenso wie das jetzt bei Sotheby's in London versteigerte Porträtgemälde (34,82 Mio. Euro), ehemals in der Sammlung Gertrud Loew-Felsövanyis beheimatet: dokumentiert in einem 1904 publizierten Artikel über die von Kolo Moser kreierte Wohnungsausstattung der frisch vermählten Tochter des Sanatoriumsbesitzers.

Die Autorin Berta Zuckerkandl nennt "sechs Zeichnungen von Klimt", die Moser "friesartig an der Wand" verteilt hatte, zwei waren auf einem begleitenden Foto abgebildet. Zusammen mit drei weiteren gehören sie zum Kernbestand der Foundation. Das sechste Blatt aus dieser stilistisch und motivisch kohärenten Gruppe scheint derzeit verschollen.

Vermutlich hatte Gustav Ucicky das Gemälde und die Arbeiten auf Papier en bloc erworben. Unter welchen Umständen, konnte auch über die mittlerweile erfolgte Provenienzforschung nicht geklärt werden. Als Gertrud Loew-Felsövanyi im April 1939 aus Österreich flüchtete, war ihre Kunstsammlung in Wien verblieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg verliefen Nachforschungen der Familie ergebnislos.

Zwei als Die Schöne Wienerin III und IV bezeichnete "Blei- und Farbstiftzeichnungen" mit Verweis auf Gustav Ucickys Besitz waren in Emil Pirchans 1942 erschienener Klimt-Monografie abgebildet worden. Nach Ucickys Tod 1961 befanden sich in der Nachlassabhandlung bis zumindest 2003 Schriftstücke, in denen das vollständige Ensemble erwähnt wurde: einerseits die Schätzliste der Kunstsammlung, auf der separat zu anderen Posten "6 Handzeichnungen, teilw. Farbkreide" vermerkt waren. Andererseits Korrespondenz bezüglich einer Leihgabe zu einer Albertina-Ausstellung 1962. Diese Dokumente sind aus dem Akt mittlerweile verschwunden. Einerlei.

Keine generöse Geste

Auf Basis des von Sonja Niederacher (Klimt-Foundation) und Ruth Pleyer (Felsövanyi-Erben) erstellten Provenienzdossiers zu Gertruds Porträt empfahl die eingesetzte Rechtsexpertenkommission (Leitung: Clemens Jabloner) im September 2014 einstimmig die Rückgabe. Seither waren sowohl das Gemälde als auch die Zeichnungen Gegenstand der langwierigen Verhandlungen.

Ende Mai einigte man sich: auf die Versteigerung des Ölbildes und Teilung des Erlöses. Und die Zeichnungen? Auf Anfrage erklärt die Klimt-Foundation, dass Familie Felsövanyi den Wunsch geäußert habe, die Zeichnungen zu behalten, und dem habe man zugestimmt. Sollte das sechste Blatt je auftauchen, auch das. Also eine Restitution? Ja, bestätigte Peter Weinhäupl gegenüber der APA (3. 6.), "die Einigung sehe auch die Rückgabe der Klimt-Zeichnungen an die Felsövanyi-Erben vor".

Nein – oder eine Frage der Definition. Im Zuge des Ausfuhransuchens mag man noch mit einer Naturalrestitution argumentiert haben, letztlich konnte sich die Foundation jedoch nicht zu dieser generösen Geste durchringen. Dem Vernehmen nach werden die Erben nach Felsövanyi zur Kasse gebeten und müssen kolportierte 250.000 Euro oder die Hälfte des Schätzwertes für dieses Ensemble bezahlen – für Kunstwerke, die ihrer Familie einst gestohlen wurden. (Olga Kronsteiner, 27.6.2015)