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Griechen versuchen verzweifelt an ein bisschen Geld zu kommen.

Foto: ap/Petros Giannakouris

London/Athen – Im Schuldenstreit mit Griechenland wertet der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, die immer neuen Vorschläge aus Athen als wenig hilfreich. Skeptisch äußerte er sich in der "Passauer Neuen Presse" zum Wunsch Griechenlands nach einem dritten Hilfspaket über den Rettungsschirm ESM.

"Es ist schwierig, über neue Hilfspakete zu sprechen, solange Unsicherheit darüber herrscht, wie es in Athen weitergeht", sagte der Sozialdemokrat laut Vorabbericht. "Der Ball liegt in Athen, und dort muss man sich jetzt klar und nachvollziehbar verhalten und nicht im Stundentakt neue und überraschende Botschaften setzen."

"Nicht in der Lage, griechische Regierung zu dechiffrieren"

Der deutsche Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier meinte am Rande der Atomverhandlungen in Wien zum Thema Griechenland: "Ich bin nicht oder nicht mehr in der Lage das Verhalten der griechischen Regierung zu dechiffrieren... Ich weiß nicht einmal ob es in Griechenland schon eine endgültige Entscheidung gibt, wie es nach dem Sonntag weitergehen wird." Und weiter: "Wir sind im Augenblick vonseiten der europäischen Union (...) gar nicht in der Lage, das in die eine oder andere Richtung zu befördern, ich glaube wir müssen jetzt abwarten, wie das griechischen Volk sich in dem Referendum entscheidet"

Schulz kritisierte unterdessen die Verhandlungstaktik von Ministerpräsident Alexis Tsipras als "sehr ärgerlich und auch enttäuschend". Vor allem sei sie dramatisch für die griechische Bevölkerung. Man könne nicht zu einem Zeitpunkt, da fast ein Abschluss zwischen Geldgebern und Griechenland erreicht sei, die Verhandlungen abbrechen, weil man kein drittes Hilfspaket wolle, und ein Referendum ankündigen, in dem man gegen Europa polemisiere.

Dann aber habe die Regierung in Athen erklärt, dass sie doch ein Hilfspaket wolle, ohne zu erklären, was sie bereit sei, dafür zu tun, monierte Schulz. "Dieses Hin und Her ist wirklich ermüdend, und davon haben viele Leute die Nase voll." Ein Staatsbankrott und ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone könne aber noch immer verhindert werden, sagte Schulz.

Krtitik auch von Göring-Eckardt und Lagarde

Kritik aus anderen Gründen übte die deutsche Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt. Sie riet Tsipras: "Athen sollte die Rüstungsausgaben kürzen, die Reichen stärker besteuern – und an die Privilegien der orthodoxen Kirche ran." Die Kirche sei nach dem Staat der zweitgrößte Immobilienbesitzer in Griechenland, zahle aber kaum Steuern. "Und die Priester werden vom Staat entlohnt", kritisierte die grüne Spitzenfrau, die früher Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland war. "Mich nervt die Weigerung, Reformen anzugehen, die für eine linke Regierung selbstverständlich sein müssten", sagte die Fraktionsvorsitzende im Bundestag der Zeitung "Die Welt".

Griechenlands Staatschef sagt Berlin-Besuch ab

Griechenlands Staatschef Prokopis Pavlopoulos hat einen für nächsten Dienstag geplanten Besuch bei Deutschlands Bundespräsident Joachim Gauck in Berlin abgesagt. Einen entsprechenden Bericht von "Spiegel Online" bestätigte am Donnerstag das Bundespräsidialamt. Über die genauen Gründe war zunächst nichts zu erfahren.

Spekuliert wurde, dass Pavlopoulos vor dem Hintergrund der drohenden Staatspleite seines Landes und dem für Sonntag geplanten Referendum über das Sparprogramm der europäischer Gläubiger Griechenland nicht verlassen will. Pavlopoulos, der im Februar gewählt worden war, hatte sich Mitte Juni zuversichtlich gezeigt, dass sein Land in der Euro-Zone bleiben wird.

Aufruf zum "Erwachsenwerden"

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, hat Athen indirekt Unvernunft vorgeworfen. "Angesichts des Maßes an Unsicherheit, Verwirrung und ständiger Bewegung wäre aus meiner Sicht weiterhin ein bisschen mehr Erwachsensein erforderlich", sagte Lagarde am Mittwoch dem US-Fernsehsender CNN.

Dass Griechenland gegenüber dem IWF in Zahlungsverzug geraten sei, sei "eindeutig keine gute Entwicklung". Schließlich hindere dies den Fonds derzeit daran, Griechenland weitere Hilfen zukommen zu lassen.

Voraussetzung für weitere Hilfen seien weitere tiefgreifende Reformen, wie der IWF und die EU sie von Athen gefordert hatten, hob Lagarde auf CNN hervor. "Das sind strukturelle Reformen, steuerliche Anpassungen, um sicherzustellen, dass das Land auf einem nachhaltigen Weg ist", fügte die IWF-Chefin hinzu.

Die Mitgliedstaaten des IWF wollen laut Lagarde, dass die Krise und die derzeitige Unsicherheit beendet werden. Sie seien aber "auch sehr bedacht darauf, dass diese Angelegenheit auf eine faire Weise geregelt wird, und sie sehen keinen Grund, warum es einen Sonderfall oder eine Sonderbehandlung geben sollte". "Ob man nach Irland oder Portugal in der Eurozone schaut oder in andere Länder auf anderen Kontinenten, diese Situationen kommen vor, Länder müssen harte Maßnahmen ergreifen", mahnte Lagarde.

Erneut Andrang bei griechischen Banken

Angesichts der verordneten Kapitalverkehrskontrollen haben sich in Griechenland auch am Donnerstag Schlangen vor Banken und Bankomaten gebildet. Rund 1.000 Filialen öffneten wie schon am Mittwoch für Pensionisten, die keine Bankomatkarten haben, und somit momentan an den Automaten nicht an Bargeld kommen können. Sie sollen bis zu 120 Euro erhalten.

Herabstufung in London

Moody's in London hat indessen die Bonität Griechenlands am Mittwoch von "Caa2" auf "Caa3" herabgestuft, das heißt "in Zahlungsverzug" und ist die letzte Stufe vor einem Zahlungsausfall. (APA, 2.7.2015)