Wenn Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte unabhängig voneinander Kritik an einem Gesetz üben, ist das ein starkes Signal. Wenn sogar die Bischofskonferenz Bedenken äußert, ist das ungewöhnlich. Wenn Datenschützer die bürgerlichen Grundrechte gefährdet sehen, sollten Warnglocken läuten. Wenn aber selbst der Rechtsschutzbeauftragte, der all das kontrollieren soll, vor der Neuregelung warnt, dann ist eine Eskalationsstufe erreicht, die die Politik üblicherweise zum Umdenken zwingen soll – nicht so in Österreich.

Ungeachtet all der Kritik und Bedenken hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) diese Woche im Ministerrat ihren Entwurf für das Staatsschutzgesetz präsentiert, der in den zentralen Punkten unverändert blieb. Das polizeiliche Staatsschutzgesetz (PStSG) soll noch vor der Sommerpause beschlossen werden und im kommenden Frühjahr in Kraft treten. Dann können Behörden künftig schon einschreiten, bevor eine Straftat begangen wird, und Ermittlungsdaten werden länger gespeichert als bisher.

Damit werden Bürger unter Generalverdacht gestellt. In einer neu geschaffenen Analysedatenbank werden nicht nur Angaben über Verdächtige, sondern auch über ihr soziales Umfeld gespeichert. Wer oder was ins Visier genommen werden darf, ist schwammig formuliert. Darunter fällt auch die "Herabwürdigung staatlicher Symbole". Damit könnten auch Karikaturen gemeint sein.

Das Gesetz stellt eine Bedrohung für die in der Verfassung verankerte Pressefreiheit und das Demonstrationsrecht dar. Ausgehebelt wird damit das Prinzip eines Rechtsstaats: Für Überwachungsmaßnahmen müssen konkrete Verdachtsmomente vorliegen, die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs muss gegeben sein und eine richterliche Genehmigung vorliegen.

Überforderte Kontrolle

Über Ermittlungen und vor allem den Einsatz sogenannter Vertrauensleute (V-Leute) entscheidet nicht ein Richter, sondern der Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums. Derjenige, der den Posten derzeit innehat, Manfred Burgstaller, warnte in einem Interview mit dem ORF-Morgenjournal selbst davor: Er wäre mit der Kontrolle überfordert. Und er regte an, über eine gerichtliche Kontrolle sollte man "zumindest ernsthaft diskutieren". Das ist nicht geschehen. Mikl-Leitner bleibt bei ihrem Vorgehen, die SPÖ trägt diese Pläne offenkundig mit.

Damit entstehen genau genommen zehn neue Geheimdienste, denn – typisch Österreich – jedes Bundesland bekommt noch seine eigene Behörde unter der Ägide der Landeshauptleute. Bekanntlich lassen sich diese nicht gerne kontrollieren, schon gar nicht vom Bund. Der Präsident des Rechtsanwaltskammertages, Rupert Wolff, warnt davor, dass neun verschiedene Geheimdienste in den Ländern entstehen, mit Befugnissen, die nahezu unkontrollierbar seien.

Untertan und Bittsteller

Umgekehrt gibt sich der Staat zugeknöpft: Das sogenannte Informationsfreiheitsgesetz, mit dem das Amtsgeheimnis abgeschafft werden sollte, kommt vorerst nicht – obwohl ein Beschluss von der Politik vor dem Sommer versprochen worden war. Es wird auch keine Person geben, an die sich Bürger wenden können, wenn ihnen Behörden die Auskunft verweigern.

Das ist Metternich im 21. Jahrhundert: der Bürger als Untertan und Bittsteller. Gleichzeitig wird ein staatliches System installiert, mit dem jeder ohne konkreten Verdacht und ohne Begründung überwacht werden kann. (Alexandra Föderl-Schmid, 3.7.2015)