Sangen eine Hymne auf die Mods: Phil Daniels, Billy Idol, Alfie Boe und Pete Townshend (v. li.).

Foto: Matt Kent
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Götterdämmerung im The-Who-Universum: Die britische Band, die 1965 mit "My Generation" durchstartete, hat mittlerweile ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel. Pete Townshend, Gitarrist und Songschreiber, wurde in diesem Jahr 70 – und macht sich Gedanken über die Welt nach der großen Show. "His Generation", der Mod-Bewegung der Sechzigerjahre, vermacht er nun eine Orchesterversion seines Lieblingsalbums.

Der Begründer der Neigungsgruppe Gitarrenzerleger kehrt damit zurück zu den subkulturellen Wurzeln seiner Band; und zu jenem Genre, das er entscheidend prägte: der Rockoper. Mit "Tommy" sorgte Townshend 1969 für eine wegweisende Klangerweiterung seiner Band. Selbsterweiterung hatte Townshend zu jener Zeit in fernöstlichen Lehren gesucht. Bei "Lifehouse" überspannte er daraufhin etwas den Bogen. Das Projekt scheiterte, und Townshend versagten die Nerven.

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Drei Jahre später dann ein neuer Anlauf: "Quadrophenia" (1973) war eine intellektuelle Befreiung und das Wiederanschließen an die frühen Fans der Sechzigerjahre. Damals rivalisierten Mods und Rocker erbittert um die subkulturelle Daseinsberechtigung in England. Mods schluckten Amphetamine, trugen Anzüge mit übergroßen Armee-Parkas und konkurrierten auf frisierten Motorrollern mit den PS-stärkeren Rockergangs. Zum geharnischten Meinungsaustausch traf man sich in den Straßen und Hinterhöfen. Einigkeit herrschte in der Rebellion gegen das Bürgerliche und darin, was spätere Subkulturen unter "A.C.A.B." zusammenfassten.

Billy Idol schnürt die Stiefel

"Quadrophenia" behandelt die Wirren dieser Zeit anhand des Londoner Mods Jimmy, der sich auf dem Weg durch den Teenager-Weltschmerz existenzieller Fragen bemüßigt. Zum Kult um das Werk trug die Verfilmung von 1979 entscheidend bei.

Der Kontrollverlust, den man in jungen Jahren noch herbeisehnte, mag dem alten Townshend nun aber nicht mehr recht schmecken. "Vorsorglich", wie er sagt, wies er seine Lebensgefährtin – Komponistin Rachel Fuller – an, Orchesterpartituren seiner Werke zu arrangieren, bevor es nach seinem Tod andere tun würden. Im Juni erschien "Classic Quadrophenia" als CD/DVD-Album.

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Zur Livepremiere in der Royal Albert Hall streifte die erste Generation der Mods nun noch einmal die Fred-Perry-Polos über die gutgenährten Bäuche. Die einst so kecken Frisuren sind viel Kopfhaut gewichen, den Parkakult führen vereinzelt ein paar Hipster weiter.

Auf der Bühne nahm das film- und rockmusikerprobte Royal Philharmonic Orchestra Aufstellung, unterstützt von einem gewaltigen Chor. In der Ouvertüre "I Am The Sea" gab der Hornsatz einen prägnanten Ruf vor, der sich als Thema durch das ganze Arrangement ziehen sollte.

In der Rolle des Jimmy spannte Tenor Alfie Boe Bizeps und Stimmbänder. Powerballaden wie "The Real Me" und "Cut My Hair" gab der Oper- und Musical-Geschulte in Ricky-Martin-Manier. Für die Rolle des Ace Face (im Film vom jungen Sting gespielt) schnürte dann Billy Idol seine Kampfstiefel. Mit sympathischer Selbstironie bemühte sich Idol um darstellerische Dramatik in der eher konzertanten Aufführung.

Townshend mimt den Godfather

Als zu "The Punk And The Godfather" erstmals Pete Townshend ins Geschehen einstieg, riss es die ihm Ergebenen jubelnd von den Sitzen. Gesanglich einwandfrei, wirkte hingegen sein Akustikgitarrenspiel im Orchesterverbund überladen. Nicht alles, was viel ist, ist eben auch automatisch gut.

Schauspieler und Sänger Phil Daniels, Hauptdarsteller im Film "Quadrophenia" von 1979 und Krächzestimme aus Blurs "Parklife", gibt in der Klassik-Version pikanterweise Jimmys mahnenden Vater. Auch dabei schloss sich beim begeisterten Publikum ein Kreis der Erinnerungen.

Das großartige "I've Had Enough", Schlussnummer im Film, konnte mit dem Original zwar nicht mithalten – erste Anklänge an das abschließende "Love Reign O'er Me" sorgten bei den mit allen Substanzen gewaschenen Altmods dann aber doch noch für so etwas wie Gänsehaut. Am 31. Oktober ist das Nostalgiewerk für Eingeweihte im Wiener Konzerthaus zu sehen. (Stefan Weiss, 7.7.2015)