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Die Räder in deutschen Familienbetrieben sollen sich auch nach einem Erbfall weiterdrehen. Die große Koalition hat sich nun auf neue Steuerregeln geeinigt.

Foto: APA/Pfarrhofer

Der Chef eines deutschen Familienbetriebs verstirbt. Zwar steht der Nachwuchs bereit und will das Unternehmen auch weiterführen. Doch es gibt ein gravierendes Problem: Die Erbschaftsteuer ist so hoch, dass die Firma ins Schleudern kommt, möglicherweise sogar dichtmachen muss.

Um solche Szenarien zu vermeiden, sind Firmenerben in Deutschland seit dem Jahr 2009 vor dem Fiskus privilegiert. Unternehmensnachfolger müssen kaum Steuern bezahlen, wenn sie den Betrieb lange genug weiterführen. Doch im Dezember urteilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass diese Privilegien nicht mit dem Grundgesetz vereinbar seien.

Neues Gesetz gefordert

Es stieß sich nicht daran, dass Firmenerben vor Zahlungen an den Fiskus verschont bleiben können. Doch es bemängelte, dass bei großen Unternehmen gar nicht genau geprüft werde, ob diese überhaupt eine steuerliche Begünstigung nötig hätten. Somit würde man Erben von Firmen besser stellen als jene Erben, die von ihren Eltern Bargeld oder Immobilien bekommen.

Es müsse ein neues Gesetz her, hieß es damals aus Karlsruhe. Bis dahin könnten die alten Regeln weitergelten. Nun hat die große Koalition einen Kompromiss gefunden, der Gesetzesentwurf wird heute, Mittwoch, bei der Kabinettssitzung beschlossen.

Grenze angehoben

Zunächst hatte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine sogenannte "Bedürfnisprüfung" bei einer Grenze von 20 Millionen Euro ziehen wollen. Erben großer Unternehmen (ab einem Wert von 20 Millionen Euro) müssen dabei nachweisen, dass sie nicht in der Lage sind, zumindest die Hälfte einer allfälligen Steuerschuld aus ihrem Privatvermögen zu zahlen. Nur dann können sie verschont werden.

Doch bei den letzten Gesprächen wurde diese Grenze auf 26 Millionen Euro angehoben. Für Familienbetriebe mit Kapitalbindung stieg die Schwelle von 40 auf 52 Millionen Euro. Unterhalb dieser Grenzen kann der Erbe weiterhin automatisch das Privileg der Verschonung in Anspruch nehmen – wenn er das Unternehmen lange genug weiterführt und Arbeitsplätze erhält. Die Anhebung der Grenzen war von der CSU erkämpft worden, da sich in Bayern besonders viele Familienunternehmen befinden.

Je nach Mitarbeiterzahl

Künftig müssen mehr kleine Unternehmen nachweisen, dass sie im Gegenzug für Steuerprivilegien Jobs erhalten. Bisher wurden Betriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern davor verschont. Nun wird die Lohnsumme nur noch bei Kleinstbetrieben, die nicht mehr als drei Mitarbeiter beschäftigen, nicht mehr kontrolliert. Die ursprüngliche Regelung mit den 20 Mitarbeitern war den Verfassungsrichtern zu großzügig.

Bei der Urteilsverkündung im Dezember hatte Richter Ferdinand Kirchhoff darauf hingewiesen, dass im Jahr 2012 Firmen Befreiungsmöglichkeiten in Höhe von knapp 40 Milliarden Euro in Anspruch genommen hätten, der Staat hingegen nur 4,3 Milliarden Euro an Erbschaftsteuer eingenommen habe. Mit dem neuen Gesetz sollen es im Jahr 2020 – dem ersten Jahr der vollen Wirksamkeit – 200 Millionen Euro sein. (Birgit Baumann aus Berlin, 8.7.2015)