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Der griechische Premier Alexis Tsipras spricht am Mittwoch vor dem EU-Parlament in Straßburg.

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Die vage Hoffnung, dass die Banken am Donnerstag wieder öffnen könnten, erfüllt sich nicht.

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Athen/Brüssel – Seit Tagen sind die griechischen Banken geschlossen, Kunden dürfen pro Tag nur 60 Euro abheben. Die vagen Hoffnungen, dass die Institute am Donnerstag wieder offen haben, erfüllen sich nicht. Die Banken bleiben bis Freitag zu, beruft sich die Nachrichtenagentur Reuters auf Regierungskreise, ohne weitere Details zu nennen. Auch die strengen Kapitalverkehrskontrollen bleiben demnach aufrecht. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschloss am Mittwoch, die ELA-Kredite, mit denen die griechischen Banken noch ein Mindestmaß an Liquidität aufrechterhalten können, zu verlängern. Derzeit liegt der Rahmen für die Nothilfen nach früheren Äußerungen von Insidern bei rund 89 Milliarden Euro. Ohne diese Liquiditätsspritzen droht den griechischen Instituten das Geld auszugehen. Unternehmen und Privatleute haben wegen der Unsicherheit, ob das Land im Euro bleiben kann, massiv ihre Konten leergeräumt.

Griechenland hat indes einen neuen Antrag auf Rettungsmilliarden beim Eurorettungsschirm ESM gestellt. Der Brief Griechenlands wird als "brauchbar" eingestuft. Die Eurogruppe könnte schon am Freitag zusammentreten, um über den griechischen Hilfsantrag beim ESM und das griechische Reformprogramm zu beraten. In EU-Ratskreisen hieß es, es werde sich Mittwochabend entscheiden, ob die Eurogruppe Freitag oder Samstag zusammentritt.

Allerdings wird vor zu viel Zuversicht gewarnt. Es gebe keine Hilfe ohne Bedingungen, dies bleibe die Haltung der EU, hieß es. Wie viel das Land will, ist noch nicht bekannt. Das Ansuchen bezieht sich aber auf ein Programm von drei Jahren, heißt es aus EU-Kreisen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte in der vergangenen Woche geschätzt, dass Athen bis 2018 zusätzlich mehr als 50 Milliarden Euro benötige. Vor dem Referendum hatte Tsipras bereits ein Gesuch für ein Zwei-Jahres-Programm gestellt, das nun hinfällig ist.

Die Rede von Alexis Tsipras im EU-Parlament.

Ziel eines neuen Hilfsprogramms müsse sein, sagte der griechische Premier Alexis Tsipras am Mittwoch im EU-Parlament, die Belastungen für die Bevölkerung gerechter zu verteilen, sagte Tsipras. "Arbeitnehmer und Pensionisten können keine zusätzlichen Belastungen hinnehmen", sagte Tsipras. Die bisherigen Programme seien zur Rettung der Banken verwendet worden. "Sie kamen nicht beim Volk an. Mit keiner Reform wurde das Funktionieren der Staatsmaschine verbessert."

Tsipras wurde im Europaparlament mit stürmischem Beifall seiner Anhänger, aber auch mit Protesten empfangen. Einige Abgeordnete hielten Schilder mit der Aufschrift "No" in die Höhe. "Wir befinden uns an einem Scheideweg für Europa", sagte der Chef der griechischen Links-rechts-Regierung.

Tusk ruft zu Konsens auf

EU-Ratspräsident Donald Tusk warnte indessen erneut vor einem Staatsbankrott und einer Insolvenz des Bankensystems in Griechenland. Um das zu verhindern, müssten sich die EU-Staaten rasch einigen, sagte Tusk am Mittwoch vor dem Parlament. "Ich rufe alle Verantwortlichen auf, einen Konsens zu finden."

Tusk hatte am Dienstag einen EU-Sondergipfel für kommenden Sonntag einberufen. Um weitere Milliardenhilfen zu erhalten, muss Griechenland konkrete Spar- und Reformvorschläge machen.

Nowotny: Kein Problem für Österreich

Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny sagte am Mittwoch, die Entwicklungen hätten keine negativen Auswirkungen auf die österreichische Finanzmarktstabilität. Im Gegenteil, Österreich werde von den internationalen Märkten als sicherer Hafen gesehen.

Die Lage für Griechenland hat sich hingegen weiter verschlechtert. Die Zehnjahresrenditen stiegen am Mittwoch auf 19,278 Prozent. Es ist der bisher höchste und damit für das Land teuerste Wert für die Refinanzierung in diesem Jahr.

Bargeld vor Versiegen

Den griechischen Banken könnte nach Angaben von Insidern in den nächsten zwei bis drei Tagen das Geld ausgehen, wenn die Kreditgeber sich nicht auf weitere Hilfen verständigen. Ein Informant, der mit dem Finanzsystem des Landes vertraut ist, sagte am Dienstag, die ersten Bankomaten könnten schon am Mittwoch leer sein. Ein Banker schätzte, dass noch für zwei bis drei Tage Bargeld im System ist.

Derzeit sind die griechischen Banken geschlossen, Überweisungen ins Ausland sind nicht möglich. An den Bankomaten erhalten die Griechen maximal 60 Euro pro Tag. Diese Begrenzung habe das Problem hinausgeschoben, aber "Bargeld wird morgen an den Geldautomaten ein echtes Problem werden", sagte der Informant am Dienstag.

Airlines verweigern Kreditkarten

Für die griechischen Bürger und Bürgerinnen werden die Auswirkungen aber auch auf andere Art immer spürbarer. Flugtickets können sie bei manchen Airlines nur mehr gegen Barzahlung oder Zahlung mit einer nicht in Griechenland ausgegebenen Kreditkarte erhalten. Mehr als 35 Fluglinien haben die griechischen Reiseagenturen benachrichtigt, dass sie deren Buchungen nicht mehr akzeptieren.

Die Kunden müssen stattdessen direkt am Flughafenschalter zahlen. Das bestätigte die griechische Reiseagentur Thissea am Mittwoch. "Es ist leider wahr. Für uns ist es schlimm. Die Reisenden müssen in bar oder mit nicht in Griechenland ausgegebenen Kreditkarten zahlen", sagte eine Sprecherin.

Die AUA-Mutter Lufthansa besteht beim Ticketverkauf in Griechenland indes nicht auf Barzahlung. "Wir akzeptieren derzeit nur Kreditkarten als Zahlungsmittel", sagte ein Sprecher. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Karte von einer griechischen oder einer ausländischen Bank ausgestellt wurde.

Angst vor Versorgungsengpässen

Die Kapitalverkehrskontrollen führen in Griechenland auch zunehmend zum Zusammenbruch des Transportwesens. Die Transportunternehmen können ihre Lastwagen nicht betanken, weil die Besitzer täglich nur 60 Euro von ihren Konten beheben können. Hunderte griechische Lastwagenfahrer im In- und Ausland haben keine Möglichkeit, den Treibstoff zu bezahlen. "Ein Lastwagenfahrer braucht 4.000 Euro, um aus Deutschland nach Griechenland zu kommen", sagte Petros Skoulikidis, Präsident der Transportunternehmen Griechenlands (PSXEM), im griechischen Fernsehen.

Die griechischen Kreditkarten werden im Ausland nicht mehr akzeptiert. Auch im Inland gebe es große Probleme. Lieferungen auf die Inseln sind nur gegen Barzahlung möglich. Auf den Inseln könne es bald zu Versorgungsengpässen kommen, sagten mehrere Bürgermeister im griechischen Fernsehen. (APA, Reuters, 8.7.2015)