Im Keller: Fotodokumente von Mitläufern der NS-Ideologie.


Foto: Joachim Krenn

Villach – "Im Grunde müsste die Kunstgeschichte Kärntens neu aufgearbeitet werden, und zwar von außen. Da sind zu viele, die vor 1945 genauso ausgeblendet wurden wie danach, Erich Loewe, der sich am Ossiacher See angesiedelt hatte, ist nur ein Beispiel dafür. Und da sind zu viele, deren künstlerische Überschätzung aus der NS-Zeit bis heute anhält, wie bei dem hierzulande als zweiter Dürer gehandelten Switbert Lobisser."

Der Villacher Historiker Werner Koroschitz ist sich bewusst, dass die von ihm und Uli Vonbank-Schedler gestaltete Ausstellung KuNSt des Vergessens in der Galerie Freihausgasse nur ein Schlaglicht auf ein Kapitel wirft, das vor Verdrängung strotzt. Zur Aufarbeitung würde bereits die großmütige Wahrheitstreue genügen, mit der Leonard Bernstein den Gründer des Carinthischen Sommers, Helmut Wobisch, brieflich einmal adressiert hat als "My Dear Nazi". Aber ohne ehrlichen Blick auf die Geschichte fehlen wohl wirklich zu viele aufschlussreiche Kontexte. Die spätere Hinwendung Karl Bauers zu religiösen Bildmotiven versteht sich anders, wenn man weiß, dass er 1932 nach München floh, um in Österreich der Verhaftung als illegales NSDAP-Mitglied zu entgehen.

Und die Polemik, mit der dieser Maler das Kärntner Kunstklima der frühen Zweiten Republik noch mitprägen konnte, fleißig sekundiert von ehemaligen NS-Mitläufern wie Arnold Clementschitsch; und der gegenüber damals jungen Malern wie Hans Staudacher oder Giselbert Hoke erhobene Vorwurf der "Schizophrenie", der seine Nähe zur NS-Ideologie der "entarteten Kunst" nicht einmal sprachlich bemäntelt: Es sind alles Ansatzpunkte zu einer längst fälligen Richtigstellung.

Mitläufer im Keller

Die Ausstellung verteilt sich auf drei Ebenen. Bewusst im Keller werden exemplarisch Mitläufer, aber auch Opfer der NS-Ideologie wie Erwin Loewe, Stefan Pichler oder der zur Emigration gezwungen gewesene Sebastian Isepp anhand von Zitaten und Fotos historisch dokumentiert. Im Kabinett auf der mittleren Ebene geht es um das Fortwirken der antimodernistischen Ästhetik in der Nachkriegszeit – hörbar gemacht am Beispiel einer verbalen Hinrichtung der Nachkriegs-Avantgarde durch Karl Bauer sowie anhand der Tagebucheintragungen Giselbert Hokes während der Ausführung der Klagenfurter Bahnhofsfresken, die er, von der Verhaftung bedroht, teilweise fieberhaft in der Nacht bewerkstelligen musste.

Diktierte Ästhetik

An den Wänden dieses Kabinetts hängen biedermeierlich anmutende Tapetenbahnen, die andeuten, wie die vom Nationalsozialismus diktierte Ästhetik Eingang in die Bürgerstuben fand. Da sind sie: Bauer, Clementschitsch, Lobisser, Raimund Kalcher, Gustinus Ambrosi und leider auch Anton Kolig, der bei einem Nachkriegsbesuch Gerhart Frankls kein Wort über die Emigration seines Malerfreundes Isepp verlor.

Wenn man von unten heraufkommt, erkennt man die Berechtigung dessen, was man ebenerdig als zeitgenössische Kunst als Erstes vorfindet. Da sieht man, welch minimaler Veränderung es durch Josef Populorum bedarf, um einen Lobisser-Holzschnitt in die Propaganda der Haiderbotschaft umzufunktionieren: "Kärnten wird reich!"

Da versteht man angesichts des ganzen "gesunden Deutschtums" Niki Meixners kleinfiguriges Beharren auf dem Lebenswert des damals sogenannten "unwerten Lebens": "Heldinnen". Und da ist man schockiert, auf einer kleinen Fotokomposition Inge Vavras all die Villacher Straßen zu sehen, die nach Kärntner Malern heißen, die nicht nur NSDAP-Mitläufer waren, sondern nach 1945 weiter die gefeierten Größen. (Michael Cerha, 8.7.2015)