Noch lebt die Hoffnung auf eine Einigung zwischen Griechenland und den Gläubigern bis Sonntag, die dem Land die finanzielle Rettung und den Verbleib in der Eurozone ermöglicht. Aber die Chancen sind nicht mehr groß. Premier Alexis Tsipras müsste Spar- und Reformauflagen akzeptieren, die strenger wären als jene, die beim Referendum am Sonntag von den Wählern zurückgewiesen wurden. Die Europartner müssten Vertrauen in eine Regierung setzen, die wenig dazu getan hat, um ihre Zuverlässigkeit zu beweisen – einschließlich des neuen Finanzministers Euklid Tsakalotos, der beim so entscheidenden Treffen am Dienstag ohne schriftliche Vorschläge aufgekreuzt ist. Bei seiner Rede im EU-Parlament klang Tsipras zwar moderater als zuletzt, aber die innenpolitische Dynamik in Athen steht einem Ja zu einem Sparkurs weiter im Weg.

Und je länger die griechischen Banken geschlossen bleiben, desto tiefer der Absturz der Wirtschaft und desto größer die Kluft zwischen den Forderungen der Geldgeber nach einem nachhaltigen Sanierungsprogramm und dem verständlichen Wunsch der Griechen nach einer raschen Milderung der sozialen Misere. Es braucht beinahe ein Wunder, um Griechenland in der Eurozone zu behalten.

Daher kommt es nicht überraschend, dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nun das Grexit-Szenario offen anspricht und die Eurozone sich darauf vorbereitet. Und man würde hoffen, dass auch die griechische Notenbank insgeheim Vorbereitungen für die Einführung einer neuen Währung getroffen hat, damit im Fall des Falles die Lage nicht völlig entgleitet. Ein Grexit wäre jedenfalls riskant, aber die zweiwöchige Schließung der Banken und das Versiegen des Euro-Bargelds sollten die Umstellung auf eine neue Drachme etwas erleichtern.

Ob dies für Griechenland der bessere oder schlechtere Weg als der Verbleib in der Eurozone wäre, kann niemand voraussagen. Normalbürger ohne Auslandskonten würden bei einem Grexit zunächst weiter verarmen, aber Unternehmen könnten durch eine massive Abwertung wieder wettbewerbsfähig werden und Arbeitsplätze auch für die Jungen schaffen. Und dass die Wirtschaft im Euro auch nur das Niveau, das sie vor dem Wahlsieg der Syriza hatte, wieder erreichen kann, ist kaum vorstellbar.

Aber auch für den Rest der Eurozone wäre der Grexit mehr als nur ein technisches Problem. Die Ansteckungsgefahr für Anleiherenditen anderer Schuldnerstaaten scheint derzeit gering. Aber das Prinzip einer endgültigen Währungsunion, die nicht mehr verlassen werden kann, wäre gebrochen. Jede Umfrage, die auf einen Wahlsieg von Parteien wie Podemos in Spanien hinweist, könnte gefährliche Spekulationen anheizen.

Um das zu verhindern, müsste eine Eurozone ohne Griechenland weiter zusammenwachsen: ihre Fiskalpolitik enger koordinieren, Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz vermeiden – das betrifft vor allem den riesigen deutschen Überschuss – und durch abgestimmte Strukturreformen zu mehr Wachstumspolitik gelangen. Schließlich wäre dann die Zeit für eine Vergemeinschaftung der Schulden – Stichwort Eurobonds – gekommen, die Deutschland bisher ablehnt.

In der Griechenlandkrise sind die 18 übrigen Euroländer bereits zusammengerückt. Alle wissen, dass es ein zweites Hellas nicht geben darf. Nun müssten sie auch entsprechend handeln. (Eric Frey, 8.7.2015)