Fritz Wotruba befasste sich zeitlebens mit Figuren, auch in seiner "Großen Figur" (1969), einem Denkmal für Richard Wagner.

Foto: Heimo Kuchling

Keinesfalls wolle er den "tausendfachen Mord so darstellen, dass er auf zukünftige Geschlechter versöhnlich wirkt", vermerkte Fritz Wotruba im Begleittext zu dieser "Sitzenden Figur" (1947, Gipsmodell).

Foto: Christian Staub

Das Mahnmal "Mensch, verdamme den Krieg" (1932), wiederrichtet im Leobner Pestalozzi Park anlässlich des "Bedenkjahres" 1988.

Foto: Freisinger, Leoben

Wien – Man möchte manchmal Mäuschen sein, wenn die Jurys von Wettbewerben für Kunst im öffentlichen Raum tagen. Um zu wissen, welche Projekte verworfen werden, welche Selektionsmechanismen wirken, bevor schließlich der alles überstrahlende Sieger präsentiert wird. Lernt man eine Kultur nicht mitunter über jene Kunst, die es nicht in den öffentlichen Raum geschafft hat, besser kennen, als über jene, die schließlich "realisiert" wird?

Eine gute Möglichkeit, sich über diese Frage Gedanken zu machen, bietet derzeit das 21er-Haus, wo man sich dem österreichischen Bildhauer Fritz Wotruba (1907–1975) widmet. Im Vordergrund der Ausstellung der Fritz-Wotruba-Stiftung steht nämlich nicht sein spezifischer Stil, etwa seine aus Kuben zusammengesetzten Menschenabstraktionen, sondern vielmehr seine Denkmalentwürfe, von denen so manche in Wettbewerben scheiterten.

Positiv Scheitern durch mangelnden Opportunismus

Seine zwischen 1930 und 1970 entstandenen Monumente wollten sich nicht einfügen in den schönen Schein der Repräsentation. Wo sie nicht gleich von Jurys aussortiert wurden, sorgten sie im öffentlichen Raum für Aufsehen. Das Scheitern ist also ein positives: verursacht durch mangelnden Opportunismus.

Die Stadt Wien schrieb 1947 einen Wettbewerb für ein Denkmal auf dem Zentralfriedhof aus, gewidmet Den Opfern für ein freies Österreich 1934- 1945. Wotruba, der wenige Jahre zuvor aus dem Schweizer Exil zurückgekehrt war, reichte einen Entwurf für einen gesichtslosen, ausgezehrten Sitzenden ein. Ein Denkmal "der stummen Anklage und der Mahnung" sollte es sein. Die zu erwartende schnelle Korrosion des Materials Eisen sollte das Ihrige tun, der Figur alles Heroische zu nehmen.

Mensch, verdamme den Krieg

Denn: Keinesfalls sollte sein Sitzender "sentimentale Erinnerungen" befördern. Nichts lag dem Querkopf Wotruba ferner, als "den tausendfachen Mord so darzustellen, dass er auf zukünftige Geschlechter versöhnlich wirkt", wie er im Begleittext zu seiner Einreichung unzweideutig festhielt.

Die Jury, ganz dem Versöhnungsgedanken der Nachkriegspolitik verschrieben, fand Wotrubas Sitzenden zu "schroff". Verwirklicht wurde schließlich ein Entwurf Fritz Cremers. Bis heute ist dessen allegorische Dreiheit, bestehend aus der "Trauernden", der "Anklagenden" und dem "befreiten Menschen", auf dem Zentralfriedhof zu sehen. Letzterer blickt aufrecht stehend in die Ferne.

Kleine Erzählungen wie diese haben auch uns Heutigen noch einiges zu sagen. In der Schau nähert man sich ihnen über Modelle, Zeichnungen, Texte. In Entwürfen sind auch einige der Zwischenschritte zu sehen, die Wotruba zum Sitzenden hinführten.

Reibungsvolle Realisierung

Reibungsvoll realisiert wurde indes ein Projekt in der steirischen Industriegemeinde Donawitz: eine Säule mit Anklängen an die Moai-Steinkolosse der Osterinsel, versehen mit der Inschrift "Mensch, verdamme den Krieg".

Errichtet 1932 von Kriegsversehrten und Arbeitslosen sowie unter Mithilfe von Wotruba selbst, traf sie auf Anfeindungen der Christlichsozialen. 1934 wurde das Denkmal von Arbeitern abgetragen, seine Bestandteile versteckt und erst anlässlich des Bedenkjahres 1988 – in Leoben – wieder aufgestellt. Wotruba erlebte diese allzu spät gekommene Geste leider ebenso wenig wie die Errichtung des Mahnmals gegen Krieg und Faschismus seines Schülers Alfred Hrdlicka in Wien.

Wotruba hatte zeitlebens an die erzieherische Kraft der Kunst geglaubt. Unter anderem, weil dieser Glauben ein mühsam zu erhaltender ist, wandte er sich in seinem späten Schaffen verstärkt Künstlermonumenten zu: für Richard Wagner oder Gustav Mahler, aber auch für Arnold Schönberg. Der auf die abgeflachte Spitze gestellte Kubus für den Erfinder der Zwölftonmusik war indes als Entwurf für das Foyer einer deutschen Bank entstanden. (Roman Gerold, 10.7.2015)