Beklagt den "Schaden, der unserer Volkswirtschaft durch den wachsenden Mangel an Kultiviertheit entsteht": Thomas Daniel Schlee, scheidender Intendant des Carinthischen Sommers.

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Ossiach – Der erste Ruderschlag beim Übersetzen von Krumpendorf an das Südufer des Wörthersees brachte im Sommer 1905 Gustav Mahlers bis dahin arg stockende Siebente Sinfonie in Schwung. Exakt 110 Jahre später erreichten die musikhistorischen Wellen dieses Vorfalls am Donnerstagabend den Carinthischen Sommer, um ihm für die letzte der zwölf Spielzeiten unter Intendant Thomas Daniel Schlee einen kraftvollen Anstoß zu geben.

Adam Fischer badete Donnerstagabend im Villacher Congress Center mit den Bamberger Symphonikern einerseits die beklemmende Schönheit der beiden Nachtmusiken aus und trieb das Orchester andererseits mit geballter Energie durch jene umliegenden drei Sätze, von denen man sich eben fragen kann, ob sie mehr Kunst- oder Naturereignis sind.

Das nicht nur wegen des Ruderschlags, des Vogelgezwitschers und des Glockengebimmels weidender Tiere, sondern auch und vor allem wegen der lichten Euphorie, mit der sich das Finale dieses Werkes in abgelöster Heiterkeit über alle irdischen Wehklagen hinweghebt, an denen Mahler davor wahrlich nicht gespart hat.

Sparen und Asylanten

Womit unauffällig das Stichwort der ganzen Eröffnungsfeier gefallen wäre: Sparen. Vor dem Gebäude spielte die vom Sparstift bedrohte Militärmusik Kärnten den Einzug haltenden Politikern gewissermaßen den Marsch. Ossiacher Bürger plädierten auf Transparenten dafür, sich das in ihrer Gemeinde geplante Asylantenlager zu sparen. Thomas Daniel Schlee sparte nicht mit Kritik an dem "Schaden, der unserer Volkswirtschaft durch den wachsenden Mangel an Kultiviertheit entsteht".

Bundespräsident Heinz Fischer und Landeshauptmann Peter Kaiser räumten mit Rücksicht auf den Anlass alle Kritik an allen Sparprogrammen großzügig ein, um sie am Ende in einem kleinen logischen Schwenk aus Staatsraison doch noch etwas zu verteidigen. Der alte Festival-Kämpe Franz Willnauer goss als Festredner über das gesamteuropäisch immer ausgemergeltere Festspielwesen eine finstere Glasur des Kulturpessimismus. Und Kärntens Kulturlandesrat Christian Benger ersparte sich überhaupt die Wahrnehmung des Termins.

"Mahlerische" Klangpracht

Aber es wäre nicht doch ein Eröffnungsprogramm à la Schlee gewesen, hätte die Musik nicht zwischendurch immer wieder ihre Fanfaren geschmettert, und wäre da nicht, vor Mahlers Klangpracht, noch eine äußerst bemerkenswerte österreichische Erstaufführung eingeflochten gewesen: das Konzentrat eines symphonischen Satzes des deutschen Gegenwartskomponisten Bertold Hummel, Teil seiner Symphonie Nr. 3 Jeremia, das eine fast traditionelle Orchesterbesetzung zu überraschend neuer Klangwirkung führt und in der schnellen, fast hektischen Folge von Steigerung und Auflösung durchaus "mahlerisch" belegt, in welchem Ausmaß uns heute die Stille existenzieller erschüttert als der Tusch. (Michael Cerha, 11.7.2015)