Sehr unterschiedlich haben führende EU-Politiker auf die in letzter Minute eingereichten Spar- und Reformvorschläge aus Athen reagiert. Für eine Einigung auf dieser Grundlage plädierten in Gestalt von Frankreich, Italien und Österreich vor allem sozialdemokratisch geführte Länder der Währungsunion. Zurückhaltend oder überhaupt nicht äußerten sich Deutschland, die Niederlande, Finnland und die Slowakei, wo die Rufe nach einem Grexit, also dem Ausscheiden Athens aus dem Euroverbund, zuletzt am lautesten zu vernehmen waren. Negativ auch die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite: Sie sprach von unzureichenden Maßnahmen, die auf veralteten Informationen beruhten.

Via Twitter teilte der französische Staatschef François Hollande mit, das griechische Papier sei "seriös, glaubwürdig und zeigt eine Entschlossenheit, in der Eurozone zu bleiben". Allerdings sei auch "noch nichts entschieden". Am Wochenende müsse nun, so Hollande, "eine Einigung erzielt werden, die die europäischen Regeln ebenso respektiert wie die Griechen, die viel gelitten haben".

In französischen Diplomatenkreisen wurde bestätigt, dass es in den vergangenen Tagen intensive Kontakte zwischen Paris und Athen gegeben habe. "Wir haben nicht direkt an den Vorschlägen mitgeschrieben, aber Orientierung gegeben, was für andere Eurozonenstaaten akzeptabel sein könnte und was nicht", so ein französischer EU-Diplomat, "vor allem haben wir klargestellt, dass die kurzfristigen Maßnahmen sehr nah an dem letzten Angebot der Geldgeberseite sein müssen." Tatsächlich stimmen viele der Athener Vorschläge mit jenen überein, die bei der Volksabstimmung in Griechenland abgelehnt wurden.

Chance auf Einigung

Italiens Premier Matteo Renzi sagte, man könne sich den Gipfel sparen, da die Minister schon zuvor eine Einigung erzielen könnten. Der österreichische Kanzler Werner Faymann erklärte, dass "die Chance auf eine Einigung besteht" und genutzt werden müsse: "Die konstruktiven Kräfte müssen stärker sein als jene, die unter keinen Umständen eine Lösung wollen."

Ob er damit auch die deutsche Regierung meinte, ließ er offen. Aus Berlin jedenfalls kamen abwartende bis skeptische Töne. Martin Jäger, der Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, erklärte, der Ausgang sei "völlig offen". So reiche es auch nicht, dass die Vorschläge von Ende Juni in neuer Verpackung präsentiert würden. Der finnische Finanzminister Alexander Stubb teilte lediglich per Twitter mit, dass seine Regierung die Vorschläge analysiere. Aus dem Lager der schärfsten Griechenland-Kritiker sprach nur der slowakische Minister Peter Kazimír von einem "Fortschritt". Angesichts der neuen Aussagen aus Athen könne er sich nur "wundern, wie schnell sich eine Raupe in einen Schmetterling verwandeln kann". Doch sei, so Kazimír, "immer noch nicht klar, ob das genug ist".

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Dienstag erklärt, die griechische Seite müsse nun mehr liefern, da es nicht länger um eine Programmverlängerung bis November, sondern um ein neues, drittes Hilfsprogramm gehe. "Die mittelfristigen Vorschläge sind nicht sonderlich konkret", hieß es in Kreisen der Europäischen Zentralbank (EZB), die zusammen mit EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds eine Bewertung für die Minister durchführen soll: "Es ist unklar, ob sich die Deutschen davon überzeugen lassen." Allerdings ist die deutsche Regierung offenbar bereit, wenn auch nicht über einen Schuldenschnitt, so aber doch über eine Umschuldung zu reden.

(Christopher Ziedler aus Brüssel, 10.7.2015)