Volkshochschul-Direktor mit lateinamerikanischen Wurzeln: Sebastian Bohrn Mena mahnt die SPÖ, nicht nur die Kreisky-Zeit zu verklären, sondern zu fragen, wo die Dohnals und Brodas von heute seien.

Foto: Conrad Seidl

Wien – Dass ihm die Tür vor der Nase zugeknallt wird und er angebrüllt wird, er möge verschwinden, "weil ich wähl' eh die FPÖ" – das erlebt Sebastian Bohrn Mena immer wieder. Das, sagt er, müsse man wegstecken, wenn man für die SPÖ Hausbesuche macht.

Viel lieber erinnert er sich aber an die junge Frau, die ihn hereingebeten hat. "Was, du bist bei der SPÖ? Du siehst doch gut aus und bist gescheit."

Eitelkeit im politischen Geschäft

Oh ja, das schmeichelt der Eitelkeit, die zum politischen Geschäft auch dazugehört.

Aber noch mehr gefällt dem jungen Roten, dass die Frau mitmachen will, dass sie ihn bei der Kandidatur für die Wiener Landtagswahl unterstützen will. Da steht der Name Bohrn Mena irgendwo in den Siebzigern, also an unwählbarer Stelle. Es sei denn, er bekäme genügend Vorzugsstimmen, um vorgereiht zu werden. Etwa 10.000 müssten das werden.

Darum wirbt er. Deshalb geht er von Tür zu Tür; Klinkenputzen nennt man die Hausbesuche bei potenziellen Wählern.

Eine alte Tradition in der SPÖ. Aber eine, die verlorengegangen ist, sagt der Nachwuchspolitiker.

Offener Brief an "liebe Urgesteine"

Den "lieben Urgesteinen, lieben grauen Eminenzen" hat er in der Vorwoche in einem offenen Brief vorgeworfen, dass sie "stehengeblieben" sind in den 1970er-Jahren, "wo ein Anruf von Euch genügte, um jemandem einen Job oder eine Wohnung zu besorgen. Wo wir so viele Mitglieder hatten, dass alle Sektionen prall gefüllt waren und Tausende Euren Aufrufen gefolgt sind. Unsere Gesellschaft hat sich seit dieser Zeit massiv verändert."

Das aber hätten die roten Funktionäre nicht kapiert, "die Geschichte vom sozialen Aufstieg der Masse ist tatsächlich nur noch eine Mär, die Schere zwischen Reich und Arm öffnet sich rasend schnell, immer mehr Menschen verlieren ihre Hoffnung."

Entscheidende Position zu Flüchtlingen

Dass so ein offener Brief bei den Adressaten schlecht ankommt, hat der 1985 als Sohn politischer Flüchtlinge geborene Wiener einkalkuliert. Er weiß, dass seine Eltern ihr Leben der Weltoffenheit der Kreisky-SPÖ verdanken: "Mein Vater konnte seinen Asylantrag aus einem chilenischen KZ einbringen. Wenn meine Mutter nicht 1975, sondern 2015 nach Österreich gekommen wäre, wäre sie im Mittelmeer abgesoffen." Und er schreibt seiner Sozialdemokratie ins Stammbuch: "Entscheidend ist: Wie positionieren wir uns zu Flüchtlingen?"

Und natürlich störe es viele, dass er kandidiert und seinen eigenen Wahlkampf macht. Dass er sagt, dass es für die SPÖ vielleicht besser wäre, ihre Grundsätze aus der Opposition heraus zu vertreten als in einer Koalition mit einer Partei zu regieren, die genau das Gegenteil der sozialdemokratischen Ziele verfolge.

Selbstbestimmtes Leben

Und dass er eine Gesellschaftskritik vertritt, das sich an die Theorien von Attac anlehnt – schließlich hat er sich an der Sigmund Freud Privatuniversität mit Glücks- und Reichtumsforschung beschäftigt: "Jede soziale Beziehung wird ökonomisiert, das treibt den Leuten die Solidarität aus. Da gibt es diesen kompensatorischen Konsum, die Leute kaufen, weil sie sehen, dass sich reiche Menschen Statussymbole anhängen. Das ist der Grund, warum die Eltern immer mehr hackeln müssen. Aber die Aufgabe der Sozialdemokratie müsste sein, den Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen."

Aber er bekomme auch viel Unterstützung von gestandenen SPÖ-Funktionären, erzählt er im Gespräch mit dem Standard, "oft unter dem Mantel der Verschwiegenheit". Dies auch, weil seine Biografie die eines typischen Aufsteigers aus dem roten Milieu entspricht: Buchhändlerlehre, Gewerkschaftsmitgliedschaft (zunächst bei der schwarzen FCG), Berufsreifeprüfung, Studium und Arbeit an der Universität. Dann Wechsel dorthin, wo die Sozialdemokratie ihre Wurzeln hatte: in de Volksbildung. Mit der Perspektive, ins Rathaus zu wechseln. (Conrad Seidl, 22.7.2015)