Nicht einmal eine Woche ist die Ankündigung her, dass eine türkische Liste bei der Wiener Gemeinderatswahl kandidieren wolle. Die Nachricht wirkte für die etablierten Parteien wie eine Bedrohung. Experten bescheinigten der Liste gute Chancen. Vor allem der SPÖ würde sie Stimmen kosten.

Wenige Tage und einige Interviews später wird offensichtlich, dass die Migrantenliste noch einen weiten Weg hinlegen muss, um tatsächlich zum Konkurrenten zu werden: Bis jetzt gibt es kein Programm, der Spitzenkandidat wirkt wenig charismatisch, und Unterstützungserklärungen wurden noch nicht gesammelt. Dazu kommt die Nähe zur AKP und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Positiv ist, dass die Parteien wachgerüttelt wurden. Ja, das Thema Migration ist ein wichtiges in der Stadt. Es gibt viele ungelöste Konflikte, auch wenn die SPÖ nicht alles falsch gemacht hat. Wie wichtig es ist, dranzubleiben, zeigt etwa der Wiener Lesetest vom Juni: In der Gruppe der leseschwächsten Schüler haben noch immer rund zwei Drittel eine andere Muttersprache als Deutsch.

Völlig ausgeblendet wird das Thema Integration im Vorwahlkampf von den Grünen. Weil man sich bei der Zielgruppe ohnehin keine Chancen ausrechnet? Dafür wurden heute Pläne für eine Begegnungszone rund um den Rochusmarkt im dritten Bezirk vorgestellt. Eh schön und wichtig für eine moderne Stadt. Aber Migranten sind es auch. (Rosa Winkler-Hermaden, 21.7.2015)