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Sie wissen nur zu gut, wie sie ihr weibliches Publikum zum Kreischen bringen: Channing Tatum (Zweiter von rechts) und seine Stripper-Kumpel schmuggeln in "Magic Mike XXL" lässig sexistische Stereotype zurück ins Kino.


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Warner Bros. Pictures

Wien – Die Show ist vorbei, die Zeit als Stripper vergessen, da holt den Möbeltischler Mike (Channing Tatum) in seiner Werkstatt die Erinnerung ein. Die Funken seines Schweißgeräts stieben auf, wenn plötzlich das Intro von Ginuwines R&B-Song Pony im Radio läuft, ein klassisches Stück Verführungspop, das die verrückteste Ausziehnummer in Steven Soderberghs Film Magic Mike 2012 begleitet hat. Der Ex-Stripper schüttelt abwehrend den Kopf, dann aber überkommt ihn die Lust. Kopf, Arme, Hände, Beine – den ganzen Körper zieht es in eine bravouröse Tanznummer, mit der das Sequel Magic Mike XXL beginnt.

Im Vorläuferfilm trat Tatum mit Hut und weißem Hemd als überhitzte Kopie eines Hip-Hop-Kerls in die Bühnenstrahler und gab mit atemberaubender Akrobatik alles. Er riss sich das Hemd vom Sixpack-Leib, hob eine Frau aus dem Publikum samt ihrem Stuhl in die Lightshow hinauf, zog sich bis auf den Striptanga aus und deutete, hautnah an der perplexen Partnerin, eine Blitzserie heftiger Sexstellungen an. Das war schärfer als eine anzügliche Show von Madonna, aber gerade noch jugendfrei, ein artistischer Spaß, der bei Tatums Zuschauerinnen Kreisch-Affekte freisetzte.

Damals sorgte sich Regisseur Steven Soderbergh um sein potenzielles männliches Kinopublikum. Frauen, meinte er in einem Interview, amüsierten sich eher mit dem puren Körperkult der Show, Männer brauchten Action, um sich mit Leinwandhelden identifizieren zu können. Ausgehend von Channing Tatums Erfahrungen im Gewerbe – er hatte sein Geld als Stripper verdient, bevor er Model und Schauspieler wurde – surfte Soderberghs Magic Mike geschickt zwischen den Genres Tanzfilm und Sozialdrama.

Tatum führte darin einen jungen Schützling in die zwielichtige Stripper-Welt ein, es wurde unablässig über Mikes Traum von der eigenen Möbeltischlerei, zu wenig Geld und prekäre Arbeit geredet. Magic Mike XXL lässt dagegen die Sozialkritik beiseite und setzt ganz auf die Prinzipien einer "frauenaffinen" Komödie. Tatum als Magic Mike und eine Handvoll Kumpel aus dem Vorgängerfilm finden noch einmal für eine letzte Sause zusammen, wollen nichts als den Spaß am Spaß ihrer weiblichen Fans gewinnen.

Dahinter steht eine Erfolgsrechnung. Magic Mike erwirtschaftete rund 180 Millionen Dollar, kostete die kleine Produktionsfirma von Steven Soderbergh, seinem Drehbuchautor Reid Carolin und Channing Tatum aber nur rund sieben Millionen Dollar. Von solchen Margen können viele Action-Blockbuster nur träumen. Die Journalistin Melissa Silverstein, die seit Jahren beobachtet, wie kurzsichtig das männlich dominierte Hollywood an den Wünschen der Zuschauerinnen vorbei produziert, empfahl den Studiobossen am Beispiel von Magic Mike, die weibliche Schaulust nicht zu unterschätzen.

Sexsymbole zurück im Kino

Nach John Travolta in Saturday Night Fever (1978) und Richard Gere in American Gigolo (1980) wanderten männliche Sexsymbole in die Popmusik und ihre Videos aus, Channing Tatum und seine Boygroup schmuggeln sie demonstrativ lässig an der allzu prüden Debatte um sexistische Stereotype vorbei wieder ins Kino. Magic Mike XXL ist ein Film-Musical, in dem sich ein paar maskuline Posteridole – lauter Hyper-Affirmationen des Fitnesskults – auf einen Trip durch den amerikanischen Südosten begeben: weiße Entertainer auf dem Weg durch das Heimatland der maskulin dominierten schwarzen Musik. Sie landen in jener bekannten Dauer-Party-Zone an der südlichen Ostküste, in der sich Jugendliche, und nicht nur sie, Exzesse leisten, die unter der sozialen Kontrolle des Bibelgürtels als tabu gelten.

Die Truppe um Mike fährt los, um an einer "Stripper-Convention" teilzunehmen. Wieder fängt die Kamera – von Soderbergh unter der Regie seines Ex-Assistenten Gregory Jacobs geführt – ausdauernd die Gespräche der Boygroup ein. Es geht um das eigene Ego, um den Stolz, ein ultimatives Solo in der Performance durchzusetzen und die Ladys dabei zum Lachen zu bringen. Als "Heiler" kommen sie sich vor, wenn sie in einem Country-Club vor schwarzen Frauen auftreten und später eine Gruppe weißer Wohlstandsbürgerinnen davon überzeugen, dass ihre "besten Jahre" noch nicht vorbei sind.

Die Sexprotzerei kommt selbstironisch daher, als choreografischer Wirbel und athletische Artistik. Backstage herrschen gute Manieren. Magic Mike XXL verzichtet auf Zeichen, die Maskulinität mit Zuhälterposen gleichsetzen. "Schmutzig" darf die Popversion männlicher Stripper nicht sein, allenfalls ein irrealer Gottesdienst, der sein Publikum leicht entlässt. (Claudia Lenssen, 23.7.2015)