Wien – Die von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) erhobene Forderung nach Kürzung des Arbeitslosengelde stößt bei SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid auf entschiedene Ablehnung. "Es handelt sich hier um einen massiven Angriff auf Arbeitnehmer und unser Sozialsystem", sagte Schmid am Samstag in einer Aussendung.

"Zynismus"

Schmid wirft Schelling vor zu unterstellen, die Betroffenen würden sich in der sozialen Hängematte ausruhen. Das berge "ein gewisses Maß an Zynismus. Arbeitslosen muss geholfen werden, sich wieder in der Arbeitswelt zu integrieren.

Eine Kürzung der Leistungen würde niemanden motivieren, sondern Existenzen bedrohen. Davon abgesehen leiden wir zur Zeit nicht an einem Übermaß an freien Arbeitsplätzen", meinte Schmid. Der SPÖ-Bundesgeschäftsführer rief die ÖVP dazu auf, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, und nicht die Arbeitslosen.

Grüne "fassungslos"

Herbe Kritik an Schelling kam am Samstag auch von den Grünen. "Fassungslos über so viel arrogante Unwissenheit" zeigten ArbeitnehmerInnen-Sprecherin Birgit Schatz und Sozialsprecherin Judith Schwentner: "Bei einer Nettoersatzrate von 55 Prozent kann man wohl nicht davon sprechen, dass das Arbeitslosengeld auch nur annähernd so hoch ist wie ein angemessenes Erwerbseinkommen." Arbeitslosigkeit sei ein Einfallstor in die Armut. Einem Finanzminister seien diese Statistiken sicherlich bekannt, "also versucht er wohl bewusst, die Unwahrheit zu verbreiten. Das ist letztklassig", meint Schatz.

Anders die FPÖ: Die Mindestsicherung "bietet die falschen Anreize", meint deren Sozialsprecher Herbert Kickl. So würde ein Anreiz in eine falsche Richtung geschaffen, der Erwerbstätigkeit unattraktiv mache.

ÖGB: Schelling fordere "Lohndumping"

ÖGB-Präsident Erich Foglar warf dem Minister vor, Lohndumping fördern zu wollen. Es sei zudem "längst belegt, dass die Sozialausgaben durch Hartz IV explodieren, da immer höhere Beihilfen ausbezahlt werden müssen". Das System der Notstandshilfe garantiere laut ÖGB-Präsident außerdem, dass Menschen, die länger arbeitslos sind, nicht ihr gesamtes Erspartes verlieren würden, wie es in Deutschland der Fall sei.

Zu Schellings Argument, es gebe in Österreich einen akuten Fachkräftemangel, gibt Foglar zu bedenken: "Der vielbeklagte Fachkräftemangel ist ein Mythos. Wir haben keinen Mangel an Arbeitskräften, sondern einen an Arbeitsplätzen. Da drängt sich schon der Verdacht auf, dass das ständige Lamento über den Mangel an Personal ein Vorwand der Wirtschaft ist, um sich der eigenen Verantwortung dafür nicht stellen zu müssen".

Armutskonferenz warnt vor deutschem Modell

Auch die Armutskonferenz warnt in einer Aussendung vor Kürzungen. Diese würden zu einer "Abwärtsspirale" in Richtung Armut führen, wie sie das Hartz IV-System in Deutschland gebracht habe: Dort würden zehn Prozent der Bevölkerung Mindestsicherung beziehen – in Österreich seien es nur ein Prozent. Zudem verweist die Armutskonferenz auf das niedrige Lohnniveau in Deutschland: "Deutschland hatte in den letzten zehn Jahren den raschest wachsenden Niedriglohnsektor Europas. Die Mehrzahl der Menschen im Niedriglohnsektor in Deutschland verfügt übrigens entgegen aller Vorurteile über eine abgeschlossene Berufsausbildung."

Hartz IV habe in Deutschland keine neuen Jobs geschaffen: Das Volumen bezahlter Arbeit sei in Deutschland sogar gesunken. Der Druck auf die Menschen habe sich erhöht. (APA, red, 25.7.2015)