Vinny Lee, "Hydeaways", 208 Seiten, Verlag Knesebeck, 30,80 Euro

Foto: Knesebeck-Verlag

Schon das Wort tönt lieblich und weich: Hideaways. Streng, also übersetzt genommen, klingt die Sache nicht so rosig, nämlich nach Versteck, einem Ort der Zuflucht. Es muss allerdings keine Räuberbande sein, wegen der man sich zum Reißaus entschließt. Wahrscheinlicher ist das immer komplexer werdende Konstrukt namens Alltag der Grund, der einen in ein Hideaway flüchten lässt.

In Form gebracht ist diese Art von Bleiben mannigfaltig. Sie heißen Blockhütten, Baumhäuser, Zelte oder Lehmbauten. Zu ihnen zählen Jurten, Tipis, Hausboote, Schäferwägen oder Wohnwägen als mobilste Variante. So unterschiedlich sie von ihrer Konstruktion her sein mögen, ein großer gemeinsamer Nenner macht sie zu einer weltweit ansehnlichen Sippe. Sie sind keine Protze, es ist ihre bis zur Putzigkeit reichende Kleinheit, die sie eint, wobei diese ebenso reduziert wie verspielt sein kann. Idealerweise entsprechen sie dem Sager, "Raum ist in der kleinsten Hütte für ein glücklich liebend Paar ...". Im noch besseren Falle passen auch noch vorhandener Nachwuchs und Hausgetier ins temporäre Kleinheim.

So kann eine Jurte samt Himmels-Bullauge auch ausschauen: Ihr Grundgestell besteht aus einem Scherenzaun, auf den gebogene Äste zu einem Gewölbe aufgesetzt wurden.
Foto: Guy Mallison

Haus unterm Tisch

Eine feine und unterhaltsame Publikation, eine Mischung aus Enzyklopädie und Wimmelbuch schuf Vinny Lee in Form des Buches "Hideaways", herausgegeben im Verlag Knesebeck. Lee weiß, wovon sie schreibt. Nicht nur, weil sie Redakteurin beim "Times Magazine" und dort für den Bereich Interior zuständig ist. Und auch nicht nur, weil sie mehr als 25 Bücher zum Thema Wohnen geschrieben hat, sondern auch weil sie offensichtlich schon als Kind die Liebe zu Kleinstbehausungen entdeckte: "Ich hatte ein wunderbares 'Haus' unter unserem Küchentisch. Es bestand aus einer großen, über den Tisch gehängten Tagesdecke, wodurch es vier rosa Wände hatte."

Lee hat mit ihrem Buch keineswegs nur ein Bilderbuch herausgebracht, das man nicht mehr vom Nachttisch geben will. Sie gibt Tipps an all jene, die im Begriff sind, sich eine solche Zuflucht zu schaffen, und unternimmt historische Ausflüge, zum Beispiel in die Geschichte des Zeltes. Vorbei kommt sie an zauberhaften Hütten, dem sogenannten Blechhaus, Relikt eines Siedlungshausprojekts, oder einem traditionellen Schäferwagen im Süden Londons, der mit seiner Handvoll Quadratmetern um ein Vielfaches einladender wirkt als so mancher Bonzenbau.

Die moderne Version einer Schäferhütte, die auf einem alten Pferdetransporter ruht.
Foto: Free Spirit Speres Inc.

Schildkrötenhaus

Eine besonders skurrile Behausung zwischen den beiden Buchdeckeln ist das Schildkrötenhaus am See Övre Gla in Südschweden. Aufgrund der Bauvorschriften durfte die Erweiterung dieser Waldhütte eine bestimmte Größe nicht überschreiten. Die Architekten konzipierten deshalb eine 30 Quadratmeter große, bewegliche Erweiterung, die über einen Stahlrahmen mit Zügen herein und herausgeschoben werden kann. Der Anbau sieht aus wie der Kopf einer Schildkröte – samt Augen bzw. Fenstern.

So unterschiedlich die abgebildeten und beschriebenen Plätzchen auch sein mögen, ihnen allen gemein ist neben der geringen Grundfläche etwas unbeschreiblich Seelenhaftes. Es ist kein Geheimnis, dass Menschen emotional sehr stark auf ihre Umgebung reagieren und diese starken Einfluss auf die Lebensqualität ausübt.

Manch einer mag sich vielleicht beengt fühlen, im Angesicht der "Beer Moth" einem alten Feuerwehrlaster, der zu einem Wohnmobil umfunktioniert wurde. Doch was dem Laster (Baujahr 1956) an Fläche fehlt, macht er mit einer ganzen Menge Charme weg. Dazu zählt auch, dass der Besitzer, Walter Micklethwait, mit seinem fahrenden Zuhause etwas abschüssig parken muss – damit das Bett geradesteht. (Michael Hausenblas, Rondo, 12.8.2015)

Ein schwebendes Kugelhaus in den kanadischen Wäldern.
Foto: Darren Chung /James Noble