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Schreibt Erzählungen, in denen zuweilen Bild- und Wortgewebe von großer Genauigkeit und Dichte entstehen: Georg Petz.


Foto: APA / Lisa Schöller-Petz

Wien – Zwei schwimmen um die Wette, und plötzlich kämpfen sie auf Leben und Tod; auf einer Kreuzfahrt befürchtet ein Mann, er könnte seine Frau an einen Zauberer verlieren; zwei Buben schaffen sich eine Fantasiewelt, in der neben einer erwachenden Begierde nur das Gewehr echt ist.

Im neuen Erzählband Millefleurs (Leykam-Verlag, € 19,50) des Grazer Autors Georg Petz handeln 21 kurze Texte vom Spiel, in dem man sich verliert, ohne zu merken, dass es ernst wird, und von den Geschichten, die man sich selbst erzählt, bis man sich in ihnen verstrickt. Das findet meist im Abseits statt: auf der Reise, manchmal einer Flucht, in den verängstigten Jahren der Jugend oder am Ende einer Beziehung.

Waidwund

Gemeinsam ist allen Texten, wie sie das, was sie zeigen, sezieren und assoziativ aufladen. Aufgekratzt, waidwund schauen Petz' Figuren in die Welt; im besten Fall zeigt sich dabei, was ihr hypertrophiertes Sehen – literarisch – leisten kann: So entstehen Bild- und Wortgewebe von großer Genauigkeit und Dichte.

Andererseits kommt es vor, dass die bildliche Sprache das, was da bebildert wird, einebnet; und es gibt Fälle, in denen der hohe Ton der Texte und ihr Gegenstand auseinanderklaffen, ohne dass das von einem poetischen Kalkül aufgefangen würde. Die Erbärmlichkeit eines mittelalten Eheman- nes etwa, der sich in der Damenumkleide für die falschen Kabinen interessiert, müsste schon mit gehöriger Ironie erzählt werden, um den Vergleich mit Minotaurus im Labyrinth auszuhalten.

Oft ergibt sich der Bilderreichtum folgerichtig aus der gewählten Perspektive: Da erzählt ein Mädchen vom Zerfall seiner Familie und vom Aufwachsen in einer verödenden Industriegegend.

Eindrucksvolle Bilder

Einen scheinbar endlosen Sommer lang – kunstvoll lässt der Text die Zeitebenen ineinanderfallen – spinnt die Icherzählerin eine eigene, von Fischen und giftigen Metamorphosen bevölkerte Mythologie: "Wie wir als Wasserleichen am Grund des Mühlgangs liegen und die Kiesel darin sind die spitzen Wölbungen unserer Wirbelsäulen, und das Wasser geht durch uns hindurch als unser Atem, wie durch die Kiemen der riesigen Fische, die überall um uns herum sind. Die uns die Haut vom Leib fressen, bis nur noch eine wie Silberfolie feine Schicht von Schuppen übrigbleibt."

Von anderen Texten bleiben eindrucksvolle Bilder: von zwei Jugendlichen in einem verlassenen Hallenbad etwa, die dort etwas wie eine Ovid'sche Metamorphose durchleben (überhaupt tummeln sich in den Texten Vorbilder von Homer bis Benn oder Jandl). Über der Drastik der Geschichte liegt allerdings ein gerüttelt Maß Verklärung, und es bleibt der üble Nachgeschmack einer Poetisierung, der ihr Gegenstand womöglich gleichgültig ist.

Die qualitative Bandbreite der Texte ist also groß: Einige begeistern fast uneingeschränkt. Andere leiden an ihrem Anspruch auf Poetisierung, ebenso an dem auf absolute Ernsthaftigkeit; ein Achselzucken hin und wieder würde nicht schaden. (Bernhard Oberreither, 28.7.2015)